Ein Partner für die Food-Industrie
Für den Lebensmittel- und Drogeriefachhandel sind Start Ups ein wichtiger Faktor, um sich mit Innovationen vom Mitbewerb abzuheben. Der Handel ist nach wie vor aktiv in der Unterstützung kreativer Jung-Unternehmen. Trotzdem könnten die treibenden Kräfte stärker sein. Was man als Unternehmer - ob aus Industrie oder Handel - beachten muss, darüber sprach retailreport.at mit Florian Herkner.
retailreport.at: In Zeiten von Nachhaltigkeit, Lieferkettengesetz, Entwaldungsverordnung, etc. sind viele Hersteller verunsichert: welche Regeln müssen sie beachten?
Florian Herkner: Ja, das stimmt – viele Unternehmen stehen derzeit unter hohem Druck. Die regulatorischen Anforderungen wachsen schnell und betreffen zunehmend auch mittelständische Unternehmen. Das Lieferkettengesetz etwa verlangt eine tiefere Transparenz bis in die Vorstufen der Lieferkette. Ebenso die neue EU-Entwaldungsverordnung, die den Import von Rohstoffen wie Soja, Palmöl oder Kakao an klare Nachhaltigkeitsnachweise koppelt. Was wichtig ist: Unternehmen müssen sich jetzt aktiv mit ihren Lieferketten auseinandersetzen, Strukturen und Prozesse schaffen, um Risiken zu analysieren und Maßnahmen umzusetzen. Es geht nicht nur um Compliance, sondern auch um Glaubwürdigkeit gegenüber Kunden und Investoren.
Welche Themen werden in der Beschaffung/agrarischen Beschaffung in naher Zukunft von Bedeutung sein?
In den nächsten Jahren wird Resilienz das große Stichwort sein – also robuste, anpassungsfähige Lieferketten aufzubauen. Klimawandel, geopolitische Spannungen und Ressourcenverknappung beziehungsweise höherer Verbrauch zwingen uns dazu. Gleichzeitig gewinnt die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Erzeugern vor Ort an Bedeutung – sei es durch direkte Lieferbeziehungen, langfristige Verträge oder gemeinsame Entwicklungsprojekte.
Zudem wird die digitale Nachverfolgbarkeit entlang der Lieferkette ein zentraler Hebel – sowohl zur Erfüllung gesetzlicher Anforderungen als auch zur Stärkung von Vertrauen.
Wie schwierig ist es heute für ein junges Unternehmen alles unter einen Hut zu bekommen: Produktidee, Marketing, Rechtliches und Finanzierung? Wo kann man am besten unterstützen?
Es ist extrem herausfordernd. Junge Entrepreneure brauchen heute nicht nur eine gute Idee, sondern müssen auch regulatorische Hürden kennen, ein überzeugendes Geschäftsmodell entwickeln und die passenden Partner für Finanzierung und Vertrieb finden.
Wo man am besten unterstützt? Ich sehe zwei Hebel: Erstens durch Netzwerke und gezielte Mentoring-Programme, die Know-how schnell verfügbar machen. Zweitens durch Partnerschaften mit etablierten Unternehmen oder Branchenplattformen, die Start-ups strukturell mit Infrastruktur und Marktzugang helfen können.
Welche Trends sehen Sie am Start-up-Markt? Wie kann man Ernährung neu denken und zukunftsfähig machen?
Es gibt mehrere spannende Richtungen. Pflanzliche Alternativen und Fermentationstechnologien sind nach wie vor sehr dynamisch. Gleichzeitig wächst das Interesse an regionaler, regenerativer Landwirtschaft, kurzen Wertschöpfungsketten und funktionaler Ernährung (z.B. Produkte mit gesundheitlichem Zusatznutzen).
„Ernährung neu denken“ heißt für mich: raus aus der Nische – rein in den Alltag. Lösungen müssen skalierbar, erschwinglich, kulturell anschlussfähig sein – und natürlich müssen sie dem Konsumenten schmecken. Das gelingt oft dann, wenn Start-ups mit Produzenten, Handel und Wissenschaft gemeinsam denken und handeln.
Lohnt es sich heute noch in die Food-Industrie zu investieren?
Ja, aber mit einem differenzierten Blick. Der Markt ist hart umkämpft, viele Trends sind überhitzt – gleichzeitig bleibt die Nachfrage nach gesunder, nachhaltiger und bequemer Ernährung hoch. Wer echte Probleme löst, authentisch kommuniziert und Skalierung beherrscht, hat gute Chancen.
Investitionen lohnen sich besonders dort, wo Innovationen zur Nachhaltigkeit beitragen – sei es durch neue Rohstoffquellen, digitale Lösungen für Transparenz oder zirkuläre Geschäftsmodelle.
Welche Rolle spielen Kooperationen in der Transformation der Food-Industrie?
Aus meiner Sicht wird der Weg in eine nachhaltige Ernährung nicht von Einzelakteuren bestritten, sondern im Zusammenspiel – zwischen Start-ups, Mittelstand, Forschung, Landwirtschaft und Handel.
Über Florian Herkner
Sein Weg in die Lebensmittelwelt begann in der Küche – mit einer fundierten Kochausbildung. Der direkte Umgang mit Rohstoffen, Geschmack und handwerklicher Präzision prägte früh sein Verständnis für Qualität und Machbarkeit. Doch Herkner wollte tiefer einsteigen – in Systeme, Prozesse, Strukturen. Er studierte Internationale Betriebswirtschaft und baute über die Jahre eine beeindruckende fachliche Breite auf. Heute gehört er zu den wenigen Experten, die sowohl die technofunktionale Ebene von Zutaten – wie Stärken, Enzyme, Emulgatoren, Säuren, Aromen oder pflanzenbasierte Extrakte – als auch ihre strategische Bedeutung entlang der Wertschöpfungskette verstehen und vermitteln können.
Mit einem Hintergrund in internationaler Betriebswirtschaft begann Herkner seine Karriere im Rohstoffhandel für die Lebensmittelindustrie. Florian Herkner war bei Symrise tätig, einem globalen Unternehmen für Duft- und Geschmackstoffe, wo er als Leiter der „Global Growth Platform Plant Based“ die Entwicklung von pflanzlichen Alternativen zu Fleisch- und Milchprodukten vorantrieb. Seine Arbeit konzentrierte sich auf die Verbesserung von Geschmack, Textur und Preis-Leistungs-Verhältnis solcher Produkte, um sie für den Massenmarkt attraktiver zu machen. Im Laufe der Jahre übernahm er verschiedene Positionen im Vertrieb und in der Geschäftsentwicklung, insbesondere im Getränkesektor in Osteuropa. Seine Leidenschaft für pflanzenbasierte Ernährung und Nachhaltigkeit spiegelt sich in seiner Arbeit wider, bei der er innovative Lösungen für die Lebensmittelindustrie entwickelt.
Als Managing Director der Hopfenveredelung St. Johann GmbH, der weltweit größten Hopfenverarbeitung, trug er Verantwortung für eines der traditionsreichsten Unternehmen der Branche – und leitete dessen Transformation hin zu einer modernen, nachhaltigen und technologisch ausgerichteten Organisation.