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Erich Scheiblhofer

Scheitern ist keine Option

Winzer Erich Scheiblhofer gilt als besonders umtriebig und ist auch im Lebensmittelhandel ein gern gesehener Partner. Retailreport.at hat den sympathischen Unternehmer am Weingut im nordburgenländischen Andau besucht und zum offenen Gespräch über die Aktionspolitik von Rewe und Spar, die Herausforderung der Mitarbeitermotivation, das neue 4-Sterne-Wein-Wellness-Resort und seinen unbändigen Innovationsgeist getroffen.

Autorin: Michaela Schellner

Erich Scheiblhofer ist nicht nur eingefleischten Weinkennern ein Begriff. Seine Spezialitäten kommen an – und zwar nahezu bei jedermann und jederfrau. Gelungen ist das, weil der Winzer, der seit dem Jahr 2000 die Geschicke des Weinguts im nordburgenländischen Andau an der Grenze zu Ungarn leitet, sein Ohr ganz nah an den Bedürfnissen der Konsumenten hat. Neben hochpreisigen Kreationen führt er seit jeher auch finanziell „sozial verträgliche“ Weine im Sortiment und kann damit verschiedenste Zielgruppen ideal bedienen.

20 Millionen Euro Jahresumsatz

Was der Unternehmer in den vergangenen Jahren auf die Beine gestellt hat, ist nicht nur beeindruckend, sondern sucht in der Winzerszene seinesgleichen. Ursprünglich mit einem halben Hektar Weingarten gestartet, bewirtschaftet man mittlerweile über 97 Hektar eigene Weinbaufläche. Dazu kommen noch weitere 200 Hektar aus der Partnerschaft mit 45 bis 50 Vertragsweingärten. Die 100 Tanks des Weinguts fassen etwa 15.000 Liter; die Flaschenfüllanlage stemmt 2.000 Flaschen pro Stunde oder 15.000 Flaschen pro Fülltag. Mengenmäßig liegt der Output heute bei etwa 2 Millionen Flaschen pro Jahrgang; der Umsatz beläuft sich auf knapp 20 Millionen Euro.

Den Grundstein für den heutigen Erfolg, haben aber Erich Scheiblhofers Eltern gelegt. Den halben Hektar Weingarten hat Vater Johann damals als Experiment vom lukrativen Ackerbau-Geschäft abgezweigt. Dass sein Vater ein glückliches Händchen beim Wein hatte, stellte er – so erzählt Erich – gleich 1969 mit dem ersten Jahrgang unter Beweis. Alle vier Weinkreationen wurden mit Gold prämiert, später hat man dann regelmäßig Landessiege eingefahren.

Weitreichendes Vertriebsnetz

Seine Spezialitäten vertreibt Scheiblhofer heute zu jeweils einem Drittel nicht nur Ab Hof im eigenen Werksverkauf in Andau sowie über den eigenen Onlineshop (rd. 10 Prozent Exportquote), sondern auch im Fachhandel und der Gastronomie sowie bei den Lebensmittelhändlern Rewe und Spar. Eine Zusammenarbeit, die der Winzer sehr schätzt, auch wenn die vorhandenen Spielregeln teilweise herausfordernd sind (Details siehe im Interview unten). Im Diskont wird es Scheiblhofer Weine aber nicht geben und auch Eigenmarken stellt der Winzer nicht mehr her.

Längst mehr als nur ein Weingut

Darüber hinaus hat Scheiblhofer sein Kernbusiness – eben die Herstellung von Weinen wie Big John (eine Hommage an Vater Johann), The Legends oder Batonnage – längst um neue Geschäftsmodelle erweitert. So findet sich am 20.000 Quadratmeter umfassenden Firmenareal, das Scheiblhofer liebevoll als Scheiblhofer City bezeichnet, seit 2018 mit The City Center eine 1.800 Quadratmeter große beeindruckende Eventhalle für exklusive Veranstaltungen, in der auch Büroräumlichkeiten sowie ein Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter untergebracht sind. Außerdem verfügt man über einen Pop-up-Heurigen und ein beliebtes und stark nachgefragtes Gästehaus, das 2021 von ursprünglich sieben auf 33 Zimmer erweitert wurde.

Jüngstes Kapitel der Erfolgsgeschichte ist der aktuell laufende Bau eines einzigartigen 4-Sterne-Wein-Wellness-Resorts, das am 6. Mai 2022 eröffnet werden soll. Dass dieses auf 9 Hektar Grundfläche mit einem achtstelligen Investment-Betrag in der nordburgenländischen und touristisch gesehen ausgesprochen unscheinbaren Marktgemeinde Andau im Bezirk Neusiedl am See an der Grenze zu Ungarn entsteht, nennen Freunde, Weggefährten und Branchenkollegen mutig.

Ausnahmewinzer trotzt Skeptikern

Die Frage „Wieso tust du dir das alles an?“ sei die meistgestellte, die der erfolgreiche Winzer seit seinem Einstieg ins Familienunternehmen vor knapp 22 Jahren gehört hat. Die Antwort: Scheiblhofer blickt immer über den Tellerrand, spezialisiert sich gerne in eher Ungewöhnlichem und scheut sich nicht davor, neue Themenfelder zu erschließen. Ganz im Gegenteil ist es genau das, was ihn antreibt und gemeinsam mit seinem Team – aktuell beschäftigt das Unternehmen 107 Mitarbeiter; Mitte nächsten Jahres werden es 220 sein – zu Höchstleistungen anspornt.

Immer ein Ziel vor Augen

Bei allem, was Erich Scheiblhofer in Angriff nimmt, hat er ein klares Ziel vor Augen. Das war auch damals so, als er im Jahr 1999 aus Kalifornien zurückgekommen ist, wo er seine Weinausbildung vertieft und die dort bereits etablierte, aber in Österreich neue Technik der Kaltmazeration im eigenen Weingut etabliert hat. Sein Vater, der immer noch mit an Bord ist, hat sich im Zuge der Betriebsübergabe sehr zurückgenommen und hält es auch heute noch so, dass er nicht alles verstehen muss, was sein Sohn macht. Dennoch hat Erich die volle Unterstützung seiner Eltern, die ihm stets eine positive Fehlerkultur vorgelebt haben.

Wertschöpfung für die Region

Das jüngste Herzensprojekt der Familie hat durch das Ankurbeln des Tourismus sowie das Schaffen von Arbeitsplätzen die Steigerung der Wertschöpfung der Region zum Ziel. Denn mit dem Wein-Wellness-Resorts werden die Scheiblhofer-Kapazitäten zum Urlaub machen und Entspannen um weitere 118 Zimmer, einen 4.000 Quadratmeter großen Spa-Bereich und ein hoteleigenes Restaurant ausgebaut. Zudem würden sich zahlreiche Synergieeffekte mit den bestehenden Wein- und Gastronomiebetrieben der Umgebung sowie des Andauer Badesees ergeben.

Ein Ziel vor Augen zu haben, fordert Scheiblhofer auch von seinen Mitarbeitern. Im Zuge der Corona-Pandemie kein einfaches Unterfangen, wie der Winzer zugibt. Denn aktuell sei die Mitarbeitermotivation neben dem Fachkräftemangel in der Gastronomie die größte Herausforderung. Eine Challenge, der er sich aber gerne stellt, ganz nach dem Motto „gemeinsam für den besten Genuss.“

Erich Scheiblhofer im Interview

Erich Scheiblhofer

retailreport.at: Herr Scheiblhofer, Sie vertreiben Ihre Weine auch im Lebensmitteleinzelhandel. Wie wichtig ist diese Zusammenarbeit für Sie?

Erich Scheiblhofer: Wir sind mit ausgewählten Weinen bei Rewe und Spar vertreten. Beide Händler haben ihre Weinkompetenz in den vergangenen Jahren starkt ausgebaut und deswegen fühlen wir uns dort wohl. Der Lebensmittelhandel trägt neben dem Fachhandel wie beispielsweise Wein & Co., Morandell, Weinwolf, Gottardi oder Trinkwerk – also den klassischen Gastronomielieferanten, unserem Ab Hof-Verkauf und dem Hotel- bzw. Gastrogeschäft einen wichtigen Teil zum Gesamtumsatz unseres Unternehmens bei. Die Anteile sind hier relativ gleich verteilt, haben sich in der Corona-Pandemie aber etwas verschoben. Während die Geschäfte in der Gastronomie bzw. im Fachhandel eingebrochen sind, haben wir im Lebensmittelhandel stark zugelegt. Auch unser Ab Hof-Verkauf wurde sehr gut angenommen und ist gewachsen. Wir haben bereits seit dem Jahr 2000 einen eigenen Onlineshop und zählen damit sicherlich zu den Vorreitern der Branche. In Summe konnten wir unseren Umsatz von 20 Millionen Euro halten, haben aber 20 Prozent mehr Flaschen verkauft. Stärker nachgefragt wurden die finanziell verträglicheren Basissegmente. Wir haben etwa deutlich mehr Muskateller und Zweigelt DAC verkauft als The Legends. In Krisenzeiten wird einfach mehr aufs Geld geschaut.

Im Lebensmittelhandel sind Aktionen naturgemäß ein Hebel, um die Frequenz zu steigern und neben Schnäppchenjägern auch jenen, die stärker aufs Geld schaun müssen, ein besonderes Angebot zu bieten. Auch Scheiblhofer-Weine können zum Beispiel mit 25 Prozent Rabattstickern beklebt und entsprechend günstiger gekauft werden oder sind Teil groß angelegter Warengruppenrabatte. Haben Sie Sorge, dass das Ihrer Marke Scheiblhofer schadet?

Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich die Aktionspolitik der Lebensmittelhändler immer gutheiße – und zwar nicht nur in der Weinkategorie. Aber hier muss man klar unterscheiden. Warengruppenrabatte oder andere Rabattmechanismen wie die von Ihnen erwähnten Sticker sind Teil der Struktur des Lebensmittelhandels, betreffen alle Unternehmen und gehören zum Geschäft dazu. Diese stützen wir nicht und freuen uns, wenn die Kunden unsere Weine kaufen.

Im Diskont ist Scheiblhofer aber nicht vertreten. Insbesondere Hofer hat in der österreichischen Handelslandschaft einen gewichtigen Anteil. Wieso lassen Sie sich dieses Geschäft entgehen?

Wir haben uns entschieden, unsere Weine dort nicht zu verkaufen, weil Hofer in seinem Sortiment - und auch bei Weinen - stark auf Eigenmarken setzt. Wir stellen aber keine Eigenmarken für den Handel her. Früher haben wir solche für Hotels gemacht, die gerne Scheiblhofer als Hauswein anbieten wollten. Wir haben aber damit aufgehört, weil wir denken: Wenn jemand Scheiblhofer will, dann soll er auch Scheiblhofer kaufen. Das wiederum stärkt unsere Marke. Unsere Kapazitäten sind begrenzt und wir haben nicht den Druck, dass wir unsere Anlagen auslasten müssen. Somit ist die Eigenmarkenproduktion für uns nicht reizvoll und wirtschaftlich gesehen auch nicht nachhaltig.

Und wie reizvoll ist der Export für Scheiblhofer?

Unser Exportanteil liegt bei 10 Prozent und die Nachfrage nach unseren Weinen im Ausland ist stark steigend. Wir hatten aber bisher nicht die Kapazitäten, um den Export stark auszubauen, weil das Wachstum in Österreich so erfreulich ist. Vor allem die deutschsprachigen Länder haben wir deswegen bisher weniger bearbeitet und hier sehen wir noch großes Potenzial.

In welchen Ländern sind Sie besonders stark vertreten?

Nach der Schweiz ist China unser größter Exportmarkt. In China sind wir vor allem mit unseren High End Weinen wie Praittenbrunn oder Batonnage erfolgreich und können mit wenig Menge große Umsätze erzielen. Und in der Schweiz ist das Preisniveau auch höher als in Österreich. In Deutschland werden wir mit hochpreisigen Weinen aber eher wenig Erfolg haben. Unser Vorteil ist, dass wir neben unseren hochpreisigen Prädikatsweinen auch ein sehr ansprechendes Basissortiment haben. So können wir die unterschiedlichen Zielgruppen gut abholen.

Wie schwierig war es für Sie eigentlich, Ihre Mitarbeiter in der Corona-Krise gut abzuholen?

Corona hat uns allen viel abverlangt und verlangt uns immer noch viel ab. Die größte Herausforderung derzeit ist die Motivation der Mitarbeiter, die vor allem im Gastro- und Eventbereich mit Existenzängsten und Planungsunsicherheiten zurechtkommen müssen. Für mich persönlich ist es sehr wichtig, immer ein Ziel vor Augen zu haben und das fordere ich auch von meinen Mitarbeitern. In einer Situation, wo Ziele durch sich ständig verändernde äußere Einflüsse ins Wanken geraten, ist das aber besonders schwierig. Diese Enttäuschungen zu brechen, das ist die Challenge, vor der wir jeden Tag stehen.

Und wie gut gelingt Ihnen das?

Wahrscheinlich so wie jedem Unternehmer einmal besser und einmal schlechter. Gemeinsam als Team versuchen wir so gut wie möglich auf die Wünsche jedes Einzelnen einzugehen und Lösungen für etwaige Probleme zu finden. Gerade in der Gastronomie bekommt man von den Gästen so viel Positives zurück. Auch dieser Job hat seine schönen Seiten, die muss man aber auch entsprechend beleuchten. Gerade hier gibt es natürlich viel Handlungsbedarf, der schon bei der Ausbildung beginnt und bei einer richtig guten Entlohnung endet. Ich habe eine Regel und die lautet: Wenn es einfach wäre, könnte es jeder.

Nicht einfach ist derzeit auch die Situation rund um die steigenden Rohstoffpreise. Wie sehr treffen Sie diese?

Hier sind wir natürlich auch an vielen Ecken und Enden betroffen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ein Stützpfahl für eine einzelne Rebe aus Eisen hat heute vor einem Jahr 30 Cent gekostet, jetzt kostet dieser 75 Cent. Einen Hektar Weingarten auszusetzen, kostet heuer doppelt so viel wie im Vorjahr. Unsere Weine können wir natürlich nicht in dem Ausmaß erhöhen.

Scheiblhofer hat sich unter Ihrer Leitung zu einem sehr erfolgreichen Unternehmen entwickelt, das längst mehr als „nur“ ein Weingut ist. Events, Gastronomie und in Kürze auch ein 4-Sterne-Wein-Wellness Resort gehören bereits zu Ihrem Portfolio. Was haben Sie sich noch alles vorgenommen?

Ich bin sehr stolz auf die Entwicklung des Unternehmens, dessen Grundstein ja schon meine Eltern gelegt haben. Den Umsatz zu steigern stand nie im Vordergrund und wird auch in Zukunft nicht im Vordergrund stehen. Was ich mir wünsche ist einfach, dass ich auch in fünf Jahren noch Freude am Unternehmen und meinen Mitarbeitern habe. Dass wir zusammen neue Projekte auf den Boden bringen und gemeinsam den Scheiblhofer-Spirit so weiter leben wie jetzt.

Herr Scheiblhofer, herzlichen Dank für das Interview.

Weingut Scheiblhofer The Hall of Legends
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geschrieben am

23.12.2021