Sprengstoff Plastik
Gelernt hat der Konsument in Österreich eines: Bierkisten und einzelne Pfandflaschen in den Lebensmittelhandel zurücktragen und einen Bon dafür bekommen. Da macht das Pfandsystem auch Sinn. Manche Joghurt-Produzenten sind dem Beispiel gefolgt.
Aber wenn man Konsumenten fragt, ob sie den Sinn darin sehen leere Plastikflaschen zum Supermarkt zurückzubringen, dann sieht man fragende Gesichter: bringt ein Pfand tatsächlich mehr recyceltes Plastik? Und wer übernimmt die Kosten einer Umstellung? Hersteller? Handel? Konsument im weiteren Sinne? Fix ist, dass der Konsument nicht extra für ein Pfandsystem zahlen will und die Anwendung (Pfandabgabe, Einwurf) nicht mühsam oder umständlich sein dürfen. Eventuell will der Konsument sogar für sein Verhalten belohnt werden. Und dann wäre da noch die Altersfrage: je älter die Personen, desto mehr stehen sie zu Plastik und Entsorgung ist ihnen fremder als Kindern und Jugendlichen, die die Treiber für verpackungsfreundliches Handeln sind.
Wenn dem allen so ist, dann kann man sich schon an einer Hand ausrechnen, an wem die Umstellungen zum Einweg-Plastik-Pfand hängen bleiben: an Industrie und Handel.
Die Hintergründe
Betrachtet man den Markt näher, so sind bloss 25% des gesamten Kunststoffaufkommens von Verpackungen getragen. Das sind in etwa 300.000 Tonnen. Davon sind rund 42.000 Tonnen PET-Getränkeflaschen. Aber bis 2025 müssen alle Mitgliedsstaaten der EU 50% der Kunststoffverpackungen stofflich verwerten, sie also recyclen. Hier gibt es unterschiedliche Berechnungen, wie recyclet wird. Fakt ist, dass Österreich mit 25% Recyclingquote das EU Ziel mehr als erfüllt. Für 50% müsste man die Recyclingmenge verdoppeln, aber nicht nur Österreich, fast alle europäischen Länder. Bis 2030 will die EU jedenfalls 55% Recyclingsquote. Für PET-Getränkeflaschengibt es darüber hinaus eigene Sammelziele: 2025 müssen 77% getrennt gesammelt werden. Derzeit sammeln wir in Österreich über die getrennte Verpackungssammlung mit Gelber Tonne und Gelbem Sack bereits 76% und in einigen Bundesländern über 80%.
Wo ist Vorsicht geboten?
Vorsicht ist nicht nur bei den steigenden Kosten geboten, auch deshalb weil die EU vorgibt ab 2024 die PET-Flasche fix mit dem Verschluss zu verbinden. Das erhöht nicht nur die Herstellungskosten, sondern auch die Menge an Plastik.
Vorsicht ist auch geboten bei der Aufklärung der Konsumenten: welches Plastik wird wie richtig entsorgt. Mehr als 60% der österreichischen Haushalte haben heute die Sammlung im Haus. Darüber hinaus stehen rd. 260.000 öffentlich zugängliche Gelbe Tonnen nur rd. 6000 Lebensmittelgeschäfte als mögliche Pfandrücknahmestellen gegenüber – und dies auch nur zu den Öffnungszeiten. Nach Erhebungen des Lebensmittelhandels verfügt ein nennenswerter Teil der innerstädtischen Outlets nicht über ausreichend Platz, um die erforderlichen Rücknahmeautomaten aufzustellen und die Leergutmanipulation zu bewerk- stelligen. Pfand schafft nur einen Anreiz, aber keine lückenlose Wiedererbringung der Flaschen.
Und wer trägt die Kosten der Umstellung? Nach Schätzungen auf Basis der Erfahrungen in Deutschland liegen die Kosten für die erforderliche Infrastruktur zwischen 150–200 Mio. €.
Weiters ist nicht gesichert, dass ein Einweg-Pfand die Mehrweg-Quote steigen lässt. Diese Erfahrung wurde in noch keinem Land eindeutig bewiesen. Es wird dann nämlich zwei verschiedene Pfandsysteme geben, was auf der einen Seite für viele Händler ein Platzproblem darstellt, auf der anderen Seite auch eine Tendenz zum „leichteren“ Gebinde für den Konsumenten. Denn was wird man lieber tragen, wenn es für beides Pafnd gibt: das schwere Glas oder das leichte Plastik?
Reaktionen aus dem Handel
Der Handelsverband reagiert auf die Überlegungen des Umweltministeriums Einwegpfand einzuführen folgendermaßen:
Der Handel plädiert für eine (massive) Optimierung der getrennten Sammlung und ergänzenden Sortierung aus gemischten Siedlungsabfällen. Diese Lösung wird auch vom größten heimischen Sammel- und Verwertungssystem (ARA) empfohlen.
"Ganz Europa beneidet uns um unser Sammel- und Verwertungssystem. Gerade in einem kleinen Land wie Österreich brauchen wir kein neues paralleles System. Daher empfehlen wir, den eingeschlagenen Erfolgsweg konsequent weiterzugehen und unsere Anstrengungen bei der getrennten Sammlung zu intensivieren. Es sollte bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden, dass die Einführung eines Einwegpfand-Systems die Nahversorgung durch selbstständige Kaufleute in den ländlichen Regionen massiv gefährdet. Wir hoffen hier auf politisches Augenmaß", so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer ersten Stellungnahme.
Die Einführung eines Einwegpfand-Systems auf Gebinde kleiner 1 Liter oder gar auf alle Kunststoffgetränkeflaschen macht aus folgenden Gründen volkswirtschaftlich keinen Sinn:
Für viele selbstständige Kaufleute ist die Anschaffung von Pfandautomaten, einer Presse, der Umbau der Fläche und die zusätzlichen Logistikanforderungen keinesfalls finanzierbar. Hunderte Geschäfte, vor allem im ländlichen Bereich, müssten ihre Geschäfte schließen, wodurch die Nahversorgung in manchen Regionen gänzlich entfallen würde. Dies würde mittelfristig auch die Landflucht befeuern.
Im ländlichen Bereich müssten im Falle eines Zubaus die Adaptierungen mit den unterschiedlichen Raumordnungen und Bauvoraussetzungen der jeweiligen Bundesländer vereinbar sein, was für einige Supermärkte im Nachgang nur schwer realisierbar sein wird. Die gesamte vor- und nachgelagerte Kette führt zu gravierenden Umstellungserfordernissen und Aufwänden. Die heimischen Supermärkte müssten neben ihrer eigentlichen Nahversorgungsfunktion quasi auch als Entsorger fungieren.
Die Einführung eines Einwegpfand-Systems nach deutschem Vorbild wäre für den österreichischen Lebensmittelhandel mit unverhältnismäßigen Investitionen in Höhe einer dreistelligen Millionensumme verbunden.
Die derzeit in Österreich bereits großflächig eingesetzten Mehrwegautomaten erfüllen nicht die Kriterien für eine PET Sammlung. Es müssten daher neue kostenintensive Automaten sowie Plastikpressen angeschafft werden. Das alles würde ebenfalls CO2-Emissionen generieren.
Ein Einwegpfand-System macht die Bereitstellung zusätzlicher Flächen erforderlich. Die baulichen Änderungen wären einerseits mit hohen Kosten verbunden, andererseits fehlt vor allem bei innerstädtischen Geschäften schlichtweg der hierfür erforderliche Platz.
Nach bisherigen Erfahrungen, vor allem aus Deutschland, erhöht die Einführung des Einwegpfandes die ökologisch zu bevorzugende Mehrwertquote nicht, sie trägt sogar zur Reduktion der Mehrwegquote bei. Im Falle Deutschlands führte die Einführung von Einwegpfand zu einer gravierenden Reduktion der Mehrwegquote von -22,3%.
Gegen eine weitere Kostenbelastung der österreichischen Wirtschaft durch die Einführung eines Pfandes auf Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff spricht sich auch WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf aus: „Wir brauchen kein weiteres bürokratisches System, das für die betroffenen Branchen wie den Handel, Kioske, Trafiken, Tankstellen und Lieferservicebetriebe und dessen Lieferanten große finanzielle und personelle Mehrbelastungen bedeuten würde, die vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu einem besonderen Wettbewerbsnachteil für unser Land werden können.“
Handelsobmann Peter Buchmüller hält dazu fest: „Der Handel bekennt sich zu einer Verbesserung der ökologischen Situation, verwehrt sich aber dagegen, dass die Zielerreichung auf dem Rücken des Handels ausgetragen wird. Derzeit gibt es mit Gelbem Sack und Gelber Tonne in ganz Österreich rund 2 Millionen Rückgabemöglichkeiten für geleerte Getränkeplastikflaschen. Im Falle eines Pfandes reduzieren sich die Rückgabestellen auf maximal rund 10.000 Einzelhandelsgeschäfte und ähnliche Einrichtungen. Mit anderen Worten: Die Konsumenten müssen für die Rückgabe viel weitere Wege zurücklegen.“
Coca-Cola befürwortet
„Coca-Cola befürwortet die Diskussion um ein Pfand auf Einwegflaschen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist es sicherzustellen, dass die Industrie und alle Stakeholder voll eingebunden werden, höchste Effizienz gewährleistet ist und ein angemessenes Pfand gewählt wird, um einem Plastiktourismus – ähnlich dem Tanktourismus – vorzubeugen. Wir möchten auch all unsere Erfahrung aus mehr als 130 Jahren Firmengeschichte und unsere österreichischen und internationalen Experten mit einbringen, damit wir das hohe Ziel von 100 Prozent Sammelquote bis 2030 erreichen“, sagt Philipp Bodzenta, Unternehmenssprecher von Coca-Cola Österreich. Überdies befürwortet man bei Coca-Cola den runden Tisch, den das Umweltministerium einberufen wird.