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Digitales Shoppen der Zukunft

Digital Shopping: Die Zukunft hat schon begonnen

Welche konkreten Ausmaße erreicht die Digitalisierung im US-Einzelhandel ab dem Jahr 2020? Darum geht es in einer brandneuen Studie, die Nielsen International kürzlich publizierte.

von Dr. Hanspeter Madlberger

Wie die US-Konsumenten heute beim digital gepowerten Shopping ticken, hat wichtige Indikatorfunktion für das künftige Einkaufsverhalten der europäischen und damit der heimischen Verbraucherschaft. Denn es sind, zu beiden Seiten des großen Teichs, US-Digitalmonster wie Amazon und Google, Microsoft und Apple, die das Einkaufsverhalten der Mobile Smart Shoppers befeuern, dem Onlinehandel und die stationären Retailer unter Zugzwang setzen.
Wie heute in den USA die Old Retail Economy dem Onlinehandel mit Multi Channel-Strategie Paroli bietet, liefert solcherart eine Blaupause für die „Gegenoffensiven“ von Rewe und Spar, Transgourmet und Metro, dm, Bipa und Müller. Top-aktuelles Beispiel: Wal-Mart konnte im 3. Quartal 2019 bei Umsatz und Gewinn dank steigender Online-Verkäufe deutlich zulegen. So betrachtet, sind die folgenden Key-Learnings der Nielsen-Studie auch für heimische Marketing-Strategen aus Industrie und Handel in hohem Maße bedenkens- und beherzigenswert.

Wichtige Anmerkung: Das Thema wird aus Kundensicht abgehandelt. Das heißt, ein breites Sample von US-Konsumenten wurde zu den digitalen Einkaufshilfen befragt. Ob sie diese bereits nutzen oder deren Gebrauch ernsthaft in Betracht ziehen. Nielsen fasst also bei dieser Studie die Gruppe der tatsächlichen User und jene der potentiellen User zu einem erweiterten Userkreis zusammen. Clever, denn das ergibt höhere Prozentwerte bei den Trendansagen. 

Sicht aus Produzentenseite

Für die Produzentenseite leitet Nielsen folgende Empfehlungen ab:

Die Industrie sollte verstärkt lokal produzieren, um global den Umsatz zu steigern.

Denn: Die US-Verbraucher werden massiv Druck auf die Produzenten dahingehend ausüben, dass sie verstärkt im Land produzieren, weniger Produkte importieren und in der Folge die (Logistik-) Kosten niedrig halten. Dieser Befund stützt sich auf das Umfrageergebnis,  wonach 48% der Befragten sagen, dass sie neue Produkte bevorzugen, wenn diese im Land mit landestypischen Zutaten erzeugt wurden. Auch die positiven Auswirkungen auf heimische Arbeitsplätze spielen dabei eine Rolle. Wir Europäer/Österreicher schließen uns dieser Denke begeistert an. Heineken/Brau Union zeigen, wie das geht. Der Stibitzer Cider wird speziell für den österreichischen Markt aus heimischem Obst (wenn auch außerhalb unseres Landes) erzeugt.

Die Herstellerseite ist weiters aufgerufen, gemeinsam mit dem Handel neue, so genannte Smart Supply Chains zu antizipieren um rascher auf die sich verändernde Verbrauchernachfrage reagieren zu können. Konkret geht es darum, die Lieferketten  (z.B. mit Hilfe von GS1 Standards) zu digitalisieren und zu automatisieren, um so die Logistikkosten zu minimieren und die Umsätze durch ein nachfragegerechtes Angebot zu maximieren. Zum Beispiel dadurch, dass im Online-Handel die Websites des Lieferanten dem Kunden in Realzeit den aktuellen Stand der Auftragserledigung  anzeigen. Effective Customer Response, neu definiert.

Apropos: Smart Supply Chains, das wäre doch ein ideales Thema für den ECR Info Tag 2020. Da könnte das ECR-Board bestehend aus Alfred Schrott (Manner), Thomas Zechner (Markant)  und Teresa Mischek-Moritz (ECR Austria) thematisch an den glänzenden Erfolg anknüpfen, den unsere ECR Community heuer in der Pyramide visavis der SCS mit der Vorstellung des Omni Shopper Journey Guidebooks gelang. Dieser Leitfaden, ein Must für jeden Chief Digital Officer in der heimischen FMCG-Szene.

Neue Anwendungen und Perspektiven

Neue Perspektiven einer Smart Supply Chain eröffnen die 3D-Drucker48% der US-Kunden sind dafür offen, sich der 3D-Drucktechnologie zu bedienen und auf diese Weise personalisierte Produkte zu bekommen. 

Wir kommen zu den heiklen Aspekten des Digital Shopping. Europäer und Amerikaner dürften in diesem Punkt einer Meinung sein: Wer Online kauft, fordert maximale Transparenz. Transparenz ist die Währung von morgen, sagt Nielsen. Inbegriff der Transparenz in Bezug auf Nachhaltigkeit, ist der ökologische Footprint. Da geht es nicht nur um das jeweilige Produkt, sondern auch um die damit verbundenen Dienstleistungen und den Corporate Value, die gelebte, umfassende Sozialverantwortung des Unternehmens. Produktdeklarationen, die über die Inhaltsstoffe Auskunft geben, sind für 48% der Shopper kaufentscheidend. 73% erklären, sie seien bereit, für ein Produkt mehr zu bezahlen, wenn es nachweislich umweltfreundliche und nachhaltige Substanzen enthält. Das gilt natürlich auch für die Verpackung.

In der Beziehungskiste zwischen Onlinehandel und Digital Shopper ist der Schutz der Privatsphäre des Kunden vor Datenmissbrauch das Thema von höchster Brisanz. Aber auch von großer Ambivalenz. Die Anonymisierung von individuellen Daten ist das probate Mittel, dem Datenmissbrauch vorzubeugen. Andererseits haben individuelle Daten im Big Data Warehouse des Händlers/Produzenten bisweilen auch ihr Gutes. Sie ermöglichen das Angebot von personalisierten Produkten. Ein Hemd mit eingesticktem Monogramm, warum nicht? Wenn die Verarbeitung personalisierter Daten ihm einen Zusatznutzen beschert, ist der Amerikaner großzügig. 43 % outen sich bereits, sie seien bereit, personalisierte Arzneimittel, Ernährungsempfehlungen und Finanzdienstleistungen zu kaufen, die aufgrund ihrer persönlichen Daten (Alter, Geschlecht, Beruf etc.) „maßgeschneidert“ werden.

Vertrauen in die Seriosität des Anbieters in Verbindung mit dem Conveniencenutzen, den man sich als Kunde von den digitalen Systemen und Geräten erwartet, bestimmen die Beziehung des Konsumenten zum Einzelhändler, heißt es im Nielsen-Papier. Zusätzliche Dynamisierung  erfährt die Interaktion zwischen Smartphone, Smart Home und POS-Systemen durch den landesweiten Rollout der G5Netze. Nielsen-Befund: G5 beschleunigt und demokratisiert das Digital Shopping

Auf einzelne digitale Tools herunter gebrochen, bedeutet dieser Dynamisierungsprozess:

46% stehen bereits der Zustellung von Einkäufen durch Drohnen zu ihrem Haus oder an einen von  ihnen festgelegten Abholort positiv gegenüber.

45% der Konsumenten sind bereit, digitale in-home-Gerätschaften (Computer on Things) als virtuelle Assistenten bei der Bestellung von Produkten in Anspruch zu nehmen.

65% bekennen sich zur Nutzung von Self Service Checkouts, verbunden mit der automatischen Bezahlung über eine Debit/Credit Card.

48% sind offen für die Bezahlung  des Einkaufs mittels Handy (Mobile Wallet).

48% sind bereit, sich mittels Augmented oder Virtual Reality-Applikationen (z.B. VR-Brillen) über die Vorzüge neuer Produkte zu informieren.

57% haben nichts dagegen, sich über eine Mobile App durch einen Laden navigieren zu lassen. Womit sich ein weiterer fachlicher “Touchpoint“ zwischen der US-Nielsen-Studie und dem Omni Shopper Journey Guidebook von ECR Austria ergibt, das unter Mitwirkung von GfK Österreich und der Wiener Webster University entstand. 

Fazit: Die Zukunft des Digitalen Shopping hat schon begonnen und unsere FMCG-Branche ist dank ECR Austria bei der Umsetzung in die Praxis vorne mit dabei.               

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geschrieben am

16.11.2019