Direkt zum Inhalt
Neuer Codex bei Milch

Synergiepotential zweier ungleicher Milch-Brüder

Die Genossenschaften der Gmundner Milch und der Alpenmilch Salzburg wollen fusionieren.

Bericht: Hanspeter Madlberger

Die NÖM vom zweiten Platz zu verdrängen, damit mehr Angebotspower beim heimischen Lebensmittelhandel zu entwickeln und in einem Aufwaschen als zweiter Komplettanbieter neben Marktführer Berglandmilch Synergiepotentiale zu heben. Das sind durchaus plausible betriebswirtschaftliche Beweggründe der laufenden Fusionsverhandlungen zwischen den Genossenschaften der Gmundner Molkerei und der Salzburger Alpenmilch.    

Ein Zusammenschluss des dritt- mit dem viertstärksten Marktteilnehmer wäre im Lebensmittelhandel ein No Go, würde umgehend die Wettbewerbshüter auf den Plan rufen. Unterm Giebelkreuz, wo die Grenzen zwischen Kooperation und Konkurrenz seit jeher fließend sind, sieht man diese vertiefte Milchbruderschaft weitaus weniger dramatisch. "Potential besteht" übertitelt die Raiffeisenzeitung vom 24. Februar lakonisch ihren Bericht über "vertieften Verhandlungen" zwischen Salzburg und Gmunden,  die eine baldige Fusion erwarten lassen.

 Die Faktenlage ist klar

  • Marktführer Berglandmilch erreichte 2020 einen Nettoumsatz von 974 Millionen Euro, die NÖM als Nummer Zwei kam auf 346 Mio, die am dritten Rang befindliche SalzburgMilch auf 229 Mio. Knapp dahinter folgte die Gmundner Milch mit 205 Millionen auf Platz Vier.  
  • Mit der Fusion der beiden Milchgenossenschaften entsteht eine starke Nummer Zwei mit einem Umsatzvolumen von 434 Millionen, NÖM rutscht dann auf den dritten Rang ab.

Auf die Bundeswettbewerbsbehörde, die den Deal absegnen müsste, kommt damit eine heikle Entscheidung zu. Für eine Genehmigung spricht, dass die stark exportabhängigen österreichischen Milchverarbeiter es auf dem europäischen Markt mit wesentlich umsatzstärkeren Mitbewerbern zu tun haben. Eine Fusion zwischen Salzburg (mit über 40% Exportanteil) und Gmunden (über 50% Exportanteil) brächte Kosteneinsparungen und damit Effizienzsteigerungen im Exportgeschäft der beiden Alpenvorland-Molkereien. Ob ein weiterer Konzentrationsschub auf Anbieterseite im Sinne der Wettbewerbshüter ist, steht auf einem anderen Blatt. Konzentration heizt den Preiswettbewerb an, Leidtragende wären möglicherweise die kleinen Marktteilnehmer, die kleineren Molkereien ebenso wie kleinere Lebensmittelketten wie MPreis, Unimarkt oder Nah&Frisch.  

Synergiepotentiale sind da, bei der Regionalität hapert es

Einem Zusammenschluss zwischen den beiden Molkereien des Großraumes Oberösterreich-Salzburg kann man viele Positives abgewinnen. Die beiden Unternehmen ergänzen einander, weil sie so verschieden strukturiert sind.  Das zeigt der unterschiedliche Wertschöpfungs-(= Veredelungs-)grad. Gmunden erzielt 2020 aus einem Liter Rohmilch einen Umsatz von 62 Cent, bei Salzburg beträgt dieser Indikator 79 Cent. Gmunden punktet im Milchwettbewerb durch niedrige Betriebskosten, Salzburg durch den hohen Anteil an Premium-Milch (Bio und Heumilch). Eine gemeinsame Lieferlogistik und ein koordinierter Export haben viel ökonomischen Charme.

Der von Bauernseite vehement propagierte Trend zur Regionalität, genauer gesagt, zur Auslobung der regionalen Herkunft und der daraus abgeleiteten herkunftsspezifischen Qualität spricht für getrennte Vermarktung. Freilich stellt sich die Frage, ob die Milchbauern der Gmundner Genossenschaft den Zug zur regionaltypischen Premium-Herkunftsmarke für Frischmilch und Käse nicht längst verpasst haben. Aus gutem Grund hat man den Slogan "Gutes aus dem Salzkammergut" aufgegeben. Denn nur ein ganz kleiner Teil der insgesamt 2100 Bauernhöfe, die die Molkerei Gmunden beliefern, befinden sich im Seenparadies zu Füssen von König Dachstein. Der neue Herkunfts-Claim der Gmundner Milch lautet: "Gutes aus der Region". Wobei auch der Begriff Region sehr  großzügig definiert wird. Erstreckt sich doch das Einzugsgebiet vom Traunviertel über den Salzburger Flachgau, das  Mühlviertel bis zum niederösterreichischen Mostviertel.

Gmundner Milch: Kostenführer mit niedrigem Bio-Anteil

Seit Jahrzehnten können sich die Mitglieder der Molkereigenossenschaft Gmunden darauf verlassen, dass ihr Betrieb in der Traunseestadt dank seines hohen technischen Standards die Kostenführerschaft in der heimischen Milchverarbeitung innehat. Der Fluktuation auf Ebene der genossenschaftlichen Mitglieder steht  eine beispielhafte Kontinuität auf Geschäftsführerebene gegenüber. Ein echter Glücksfall. Es ist kein Geheimnis, dass der vom tüchtigen Management herbeigeführte hohe Rationalisierungsgrad bis heute die Grundlage für eine langjährige Zusammenarbeit der Gmundner Milch mit der Hofer KG mit Hauptsitz im nahe gelegenen Sattledt bildet. Führender Eigenmarken-Lieferant des führenden Lebensmitteldiscounters zu sein, bedeutet zwangsläufig, dass man mit der regionalen Herkunftsmarke schlechte Karten hat, wenn es um die Listung  bei den Hofer-Mitbewerbern Spar und Rewe geht.

Hofer-Partner jetzt auch mit Lidl im Geschäft

Die "Hofer-Lastigkeit"  der Gmundner Milch, Jahrzehnte hindurch ein Garant stabil hoher Umsätze, mutierte in den letzten Jahren in Zusammenhang mit der Bio-Schwäche der genossenschaftlichen Rohmilchproduzenten zum Problemfall. Von den 330 Millionen Kilo Milch, die jährlich in Gmunden verarbeitet werden, entfallen nur 15 Millionen, also weniger als 5% auf Biomilch. Andererseits aber setzt Hofer, so wie seine Mitbewerber stark auf Biomilch. Die Mopro-Palette der intensiv beworbenen Premium-Eigenmarke  Zurück zum Ursprung kommt vor allem von der Obersteirische Molkerei (OM), auch Bergland ist bei der Aldi Süd-Tochter gut im Geschäft, Gmunden geht bei diesem Wachstumssegment weitgehend  leer aus. Ähnlich ist diese Situation auch bei der Heumilch und in der noch kleinen, aber wachsenden Nische der Tierwohl-Milch. Größter Produktionszweig der Gmundner Molkerei ist hingegen die H-Milch, sie ist zugleich eine starke Säule im Exportgeschäft.

Allianz mit Bayern? Europa lässt grüßen

Dass die Gmunder Milch entgegen anders lautender Pressemeldungen keine Absatzprobleme habe, begründet Geschäftsführer Michael Waidacher mit der Kashkaval- (=Pasta Filata-) Käseproduktion, die vor einem Jahr  in einer neue errichteten Anlage in Gmunden ihren Betrieb aufnahm. 50 Millionen Kilo Rohmilch pro Jahr, also gut 15% der angelieferten Milchmenge fließen seither in das neue Werk, das den Kunden Lidl International mit diesem trendigen Mozzarella-Alternative (filierter Weichkäse mit fasriger Struktur, in Salzlake) beliefert. Das neue Käsewerk  ist ein Joint Venture zwischen der Gmundner Milch (die das Gebäude der neuen Käserei zur Verfügung stellt) und Herbert Jäger (Eigentümer der Jäger Molkerei in Bayern), der für die Investition der technischen Ausstattung aufkam. Und vermutlich auch die Vertriebs-Connection zu Aldi-Konkurrent Lidl knüpfte.

Wie die Raiffeisenzeitung berichtete, führten die Agrarlandesräte Michaela Langer-Weninger (Oberösterreich) und Josef Schwaiger (Salzburg) als Gründe für den Zusammenschluss ins Treffen, es drohe andernfalls der Einstieg ausländischer, insbesondere deutscher Molkereien in den heimischen Milchmarkt, verbunden "mit nachteiligen Konsequenzen für die heimischen Milchviehbetriebe". Erinnerungen an missglückte Allianzen zwischen Salzburg Milch und Meggle und - etliche Jahre zuvor-  zwischen NÖM und Parmalat mochten da wohl mitgespielt haben. Der darauf angesprochene Herbert Jäger meinte im Interview mit den Oberösterreichischen Nachrichten, er sehe die Fusion seines Joint Venture-Partners Gmundner Milch mit den Salzburgern durchaus positiv. "Etwas Besseres könnte nicht kommen!"

Kategorien

geschrieben am

10.03.2022