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Die EuroCIS in Düsseldorf ist das unumstrittene Highlight für alle, die sich in Europa über Retail-Technologie informieren wollen. Heuer wurden die Erwartungen der Veranstalter wie auch der Aussteller klar übertroffen.

Die 10 wichtigsten Trends der EuroCIS 2024

Die EuroCIS in Düsseldorf ist das unumstrittene Highlight für alle, die sich in Europa über Retail-Technologie informieren wollen. Heuer wurden die Erwartungen der Veranstalter wie auch der Aussteller klar übertroffen.

Bericht von Manuel Friedl

Es war eine EuroCIS der Rekorde: Noch nie gab es so viele Aussteller, noch nie so viele Besucher – und wohl auch noch nie so viele interessante Gespräche wie dieses Mal. Mit 14.400 m² netto Ausstellungsfläche wurde die bisherige Rekordmarke aus dem Vor-Pandemie-Jahr 2019 von 13.900 m² deutlich getoppt, mit mehr als 13.500 Fachbesuchern wurde der bisherige Rekord ebenfalls übertroffen. Doch nicht nur die Quantität, auch die Qualität stimmte. Die Besucher zeigten sich vom Niveau der gebotenen Innovationen durchwegs angetan, die Aussteller wiederum lobten die intensiven Kundengespräche.  

Besonders erfreulich war dabei, dass trotz der vielfältigen Probleme, mit denen der Handel in den letzten Jahren zu kämpfen hatte, so viele Händler Ende Februar den Weg nach Düsseldorf fanden. Und wie die Rückmeldungen der Aussteller zeigen, dürfte auch die Investitionslust zurückgekehrt sein. Zumindest im Lebensmittelhandel, denn dieser dominierte das Gezeigte eindeutig. Auffällig wenig Neues wurde hingegen für andere Branchen wie den Textilhandel präsentiert, der weiterhin unter klammen Kassen leidet.

Thematisch dominierte das Thema Künstliche Intelligenz („KI“): Kaum ein Stand kam ohne Bezug zum derzeit heißesten Buzzword der IT-Branche aus. Eine unvollständige Aufzählung der Anwendungsgebiete reicht von KI-generierten Produktbeschreibungen, der Optimierung von Produktions-/Bestellmengen oder Transportwegen über Predictive Maintenance (also vorausschauende Wartung) und Dynamic Pricing bis hin zu Marketing, Loss Prevention und Kundenservice.

Die wichtigsten Trends im Überblick

Self-Scanning

Der digitale Einkaufswagen

 

 

 

 

 

 

 

 

Meistgesehenes Ausstellungsstück auf der Messe war der „smarte Einkaufswagen“. Die überzeugendste Lösung kam dabei von KBST in Zusammenarbeit mit dem Hardware-Hersteller Zebra. KBST ist ein Tochterunternehmen des EDEKA-Kaufmanns Robert Aschoff (im Bild im Hintergrund zu sehen) und zeichnet sich durch eine sehr pragmatische Herangehensweise aus. Im Zentrum steht für Aschoff, dass die Lösung auch im eigenen Markt einwandfrei funktioniert und nicht noch zusätzliche Arbeit verursacht.

Der Kunde scannt die Produkte mit dem Handscanner. Die im Einkaufswagen eingebaute Waage erkennt dabei, ob die gescannten Artikel mit dem Gewicht der eingeräumten Waren zusammenpassen. Gezahlt wird entweder direkt am Einkaufswagen oder bei einer Kasse. In Aschoffs eigenen Märkten liegt der Anteil der Kunden, die dieser Wägen nutzen, etwa bei 20 %. Die Kunden, die sie verwenden, kaufen im Schnitt deutlich mehr ein. In Deutschland steht das „Scan-Cart“ exklusiv EDEKA-Händlern zur Verfügung, in Österreich ist man für alle Partner offen.

Bezahlen per Gesichtserkennung

Toshiba

 

 

 

U. a. bei Toshiba gesehen: Wer sich einmal für diesen Service registriert hat, kann künftig per Gesichtserkennung bezahlen. Überhaupt wird beim „Vision Kiosk“ von Toshiba die Kameratechnik groß geschrieben. Die zahlreichen eingebauten Kameras machen das Scannen von Barcodes überflüssig. Artikel, die auf die Ablagefläche gelegt werden, werden automatisch identifiziert und auf die Rechnung gesetzt. Da es weiterhin aufwendig ist, Produkte so zu erfassen, dass sie von allen Seiten fehlerfrei erkannt werden, ist der Einsatz des Systems eher für kleinere Convenience-Stores oder Geschäfte am Bahnhof mit eingeschränktem Sortiment zu empfehlen. In etwa 30 Fotos pro Artikel sind notwendig.

Verstärkt werden Kameras von mehreren Anbietern auch zur Alterskontrolle für altersbeschränkte Waren wie Alkoholika und Tabakwaren verwendet. Die Treffergenauigkeit beim Praxistest ist beeindruckend hoch, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für derartige Lösungen sind aber noch je nach Land unterschiedlich. Vorschlag der Hersteller: Ein Limit von 30 Jahren einziehen, darunter müssen Mitarbeiter den Kauf freigeben.

Click & Collect an der Frischetheke

Bizerba

Bei Fast-Food-Restaurants wie McDonald’s hat der Touchscreen die persönliche Bestellung an der Theke schon fast vollständig abgelöst. Warum nicht auch an der Frischetheke? Der elegante Touchscreen von Bizerba kann entweder gleich im Eingangsbereich eines Marktes oder direkt bei der jeweiligen Theke platziert werden.

Per Touchscreen kann das gewünschte Produkt ausgesucht werden, zusätzlich zur Mengenangabe sind auch Spezialwünsche wie die Dicke der Scheiben bei Wurst oder Käse möglich. Nach der Bestellung bekommt der Kunde eine Nummer, mit dieser kann er seine Einkäufe nach Fertigstellung der Order jederzeit abholen. So spart er sich Zeit in der Warteschlange. Und der Frischemitarbeiter hat die Bestellung sofort übersichtlich an der Thekenwaage.

Electronic Shelf Labels werden touch-fähig

Instore Solutions

Electronic Shelf Labelling ist in den letzten Jahren insbesondere im großflächigen LEH zum Standard geworden. Doch nun lernen die bisher sehr statischen Bilder laufen. Und: ESL wird touch-fähig. Am Stand von Instore Solutions etwa ist eine Lösung zu sehen, auf der das elektronische Preisetikett gleich die komplette Verkaufsberatung übernimmt. Per Fingerklick gibt’s zum Wein die Beschreibung, Kundenrezensionen, Speiseempfehlungen oder Allergen-Hinweise.

Deutlich aufwendiger und preisintensiver als die üblichen ESLs, ist diese Lösung natürlich vor allem für höherpreisige, beratungsintensivere Artikel zu empfehlen – oder für Geschäfte abseits des Lebensmittelhandels. Bei der Messe dienten neben Wein auch Bohrmaschinen oder Schuhe als Demonstrationsobjekte.

Ebenfalls im Programm hat Instore Solution ESLs, die sich via Solarenergie selbst laden und so ohne Batterie bzw. Stromversorgung auskommen.

Die „digitale Fachkraft“

HeronOS

Die Königsklasse der Künstlichen Intelligenz: Rowius zeigte, wie Kundenberatung auch ganz ohne reale Mitarbeiter funktionieren kann: Jedes Aussehen, jede Stimme lässt sich digital klonen und zu einem Avatar formen. Standard-Anfragen, etwa zu Zimmerangeboten in einem Hotel oder zu den Lieferzeiten in einem Online-Shop lassen sich so kundenfreundlich und hochwertig beantworten – allerdings in gleich in 80 verschiedenen Sprachen. Im Hotel kann die fotorealistisch gestaltete „digitale Fachkraft“ als persönlicher Concierge dienen, im Shopping Center von einer Info-Stele sprechen.

Die Trefferquote liegt laut Rowius bei 90 %, bei den restlichen 10 % verweist die „digitale Fachkraft“ auf einen Kollegen aus Fleisch und Blut. Weitere Anwendungsmöglichkeiten sieht man im internen Bereich, etwa bei der IT-Hotline oder im Sales-Support.

Autonome Stores

Latebird

Apropos Service durch technische Lösungen: Auch autonome Stores bleiben ein viel besprochenes Thema – wenngleich es in einigen deutschen Bundesländern dieselben Probleme mit dem Öffnungszeitengesetz gibt wie in Österreich.

Im Bild zu sehen ist der Container-Supermarkt von Latebird. Auf 3 x 12 Metern lassen sich bis zu 650 unterschiedliche Artikel und ca. 9.000 Produkte insgesamt unterbringen. Unterschiedliche Temperaturzonen in den Produktschränken ermöglichen die Lagerung von zum Beispiel gekühlten Getränken, Frischware und Tiefkühlkost. Der Kunde bestellt an einem Touchscreen, die Waren werden nach Bezahlung via Förderband geliefert.

Der tschechische Anbieter Contio setzt eher auf klassische Nahversorgungsgeschäfte, die wahlweise mit Mitarbeitern und zu schwächer frequentierten Zeiten ohne Mitarbeiter geöffnet sind. Das entsprechende System kostet mit Check-in-Schranke, Sicherheitskameras und Self-Checkout-Kasse laut eigenen Angaben nur 7.000 bis 10.000 Euro und ist bereits in gut 50 Märkten im Einsatz.

Roboter bekommen neue Aufgaben

EF Robotics

Wir bleiben beim Thema Personalmangel: In Deutschland fehlen bis 2030 durch die Pensionierungswelle der Baby Boomer 4,9 Mio. Fachkräfte. Ersatz dafür ist keiner in Sicht. Diese Tatsache führen viele Hersteller als Grund für die zunehmende Automatisierung von Aufgaben an, die bisher von Mitarbeitern wahrgenommen wurden. Es gehe nicht darum, Personalkosten zu senken, sondern Mitarbeiter zu entlasten.

Für die Inventur müssen deshalb künftig Roboter anrücken. Dm Drogeriemarkt verwendet sie bereits zur Identifikation von Regallücken und wurde dafür mit einem Reta-Award ausgezeichnet. Anderswo führt der Roboter Kunden zum gesuchten Regal oder beantwortet Fragen zu Produkten und Dienstleistungen. Der Reinigungsroboter ist in vielen Unternehmen ohnehin schon Standard. Und glaubt man einigen Ausstellern, ist es nur noch eine Frage von ein paar Jahren, bis wir die ersten Roboter sehen werden, die in der Lage sind, Regale selbstständig einzuräumen. Doch noch ist die Gefahr zu groß, dass die Bohnendose beschädigt wird oder der Joghurtbesser aufplatzt, weil der Roboter zu fest zupackt.

Simple Payment

Payment

Der Trend zum bargeldlosen Bezahlen setzt sich fort. Immer stärker ins Spiel kommen dabei Smartphones als Alternative zu den klassischen Bezahlterminals – für eine entsprechende Lösung wurde etwa Douglas mit einem Reta-Award belohnt. Interessant ist das vor allem für den Nonfood-Handel, wo die Menge der kassierten Stück deutlich kleiner, der Kontakt zwischen Kunde und Verkaufspersonal dafür deutlich intensiver ist. Besonders kleinere Geschäfte, die sich bisher durch die Kosten eines Bezahlterminals abschrecken ließen, können so künftig auch bargeldloses Bezahlen anbieten, heißt es bei Anbietern wie Payone oder Adyen.

Dass nicht alles in Richtung bargeldlos gehen muss, zeigt der Cash-Management-Spezialist Glory: Er stellte auf der EuroCIS auch eine Selbstbedienungs-Kasse aus, an der man auch mit Cash bezahlen kann.

Nachhaltigkeit

Tare Tag

Große Fortschritte gab es zuletzt beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Bereich der Bedarfsprognosen zur Vermeidung von „Food Waste“: Je mehr Verkaufsdaten mit der Zeit vorliegen, umso genauer werden die Prognosen, wie viel Obst und Gemüse eingekauft, wie viele Semmeln aufgebacken werden müssen. Entsprechende Lösungen auf der EuroCIS zeigen etwa die beiden österreichischen Unternehmen Circly und Umdasch („Smart Bakery Box“).

Ansonsten fanden sich interessante Innovationen zum Thema Nachhaltigkeit vor allem im Start-up-Hub der Messe. Etwa von Tare Tag, einen deutschen Anbieter, der es sich zum Ziel gemacht, Einwegverpackungen einzusparen, indem die Kunden ihre eigenen befüllbaren Gefäße (vulgo: Tupper-Dosen) in den Markt mitbringen. Der Clou: Eine App kann jedes Gefäß identifizieren, das einmal registriert wurde. Ein QR-Code gibt jederzeit Auskunft über den aktuellen Inhalt des Gefäßes (samt Inhaltsstoffen/Allergenen), und gleichzeitig kann die App dem Nutzer anzeigen, wie viel Verpackung er durch das Wiederbefüllen bereits eingespart hat.

Eine weitere bemerkenswerte Innovation kommt vom französischen Start-up Shopopop, der das System des „Crowdshippings“ nun auch in die deutschsprachigen Märkte bringen will. Die Idee: Menschen sollen auf ihren Alltagswegen Einkäufe anderer Personen mitnehmen und so etwas Geld dazuverdienen. Damit will man mehrere Fliegen mit einer Klatsche schlagen: In den seltensten Fällen sind Online-Bestellungen für Unternehmen profitabel abzuwickeln, der teuerste und komplexeste Faktor ist dabei die letzte Meile. Gleichzeitig wird durch die Lieferung auf bereits bestehenden Strecken CO2 eingespart. In Frankreich ist Shopopop bereits seit acht Jahren am Markt und arbeitet dort mit Größe wie Carrefour und Leclerc zusammen. Die Profitabilitätsschwelle wurde bereits erreicht. Inzwischen ist man auch in Spanien, Belgien und Italien vertreten, insgesamt konnte man bereits 200.000 „Crowdshipper“ für sich gewinnen. Bald auch in Österreich?

Die nächste EuroCIS findet von 18. bis 20. Februar 2025 wieder in Düsseldorf statt.

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geschrieben am

04.04.2024