DHK: Wirtschaftliches Zusammenrücken in Zeiten des Krieges
Im vergangenen Jahr hat sich der Handel zwischen Deutschland und Österreich massiv von den Auswirkungen der Pandemie erholt. „Ging im Jahr 2020 das deutsch-österreichische Handelsvolumen noch um ca. 9 % zurück, konnte im Jahr 2021 wieder an die alte Stärke angeknüpft werden. Das gemeinsame Handelsvolumen stieg um fast 19 % und erzielte ein neues All-Time-High“, sagt Hans Dieter Pötsch, Präsident der Deutschen Handelskammer in Österreich (DHK), Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG und Vorstandsvorsitzender der Porsche SE.
Laut den Zahlen des deutschen Statistischen Bundesamtes stiegen österreichische Exporte um 17,9 % auf 47,7 Mrd. Euro. Deutsche Exporte nach Österreich erhöhten sich um 19,7 % auf 71,7 Mrd. Euro. Mit einem Gesamthandelsvolumen von 119,4 Mrd. Euro wurde sogar ein Rekordwert erzielt. Österreich ist mit dieser Entwicklung wieder zum siebtwichtigsten deutschen Außenhandelspartner aufgerückt.
Anfang 2022 waren die Perspektiven für das gesamte Jahr sehr optimistisch. Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine werden jedoch die deutsch-österreichische Wachstumsdynamik deutlich einbremsen. „Wir stellen eine starke Verunsicherung bei unseren Unternehmen fest, wie sie mit den gestiegenen Rohstoff- und Energiepreisen umgehen sollen. Die aktuellen Energiepreise gefährden zudem langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Industriestandorte Deutschland und Österreich“, stellt der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Österreich, Thomas Gindele, fest.
Als weitere Folge der aktuellen Energiepreise wird den Menschen ihre Kaufkraft entzogen, mit den entsprechenden Folgen für den Konsum. Das lässt den deutschen aber auch den österreichischen Exportmotor stottern.
„Die Deutsche Handelskammer in Österreich unterstützt die Entscheidung der deutschen und österreichischen Bundesregierung, einem Energieembargo für Gas nicht zuzustimmen. Für die deutsche Wirtschaft wäre es zusätzlich sehr schwierig, wenn auch Österreich Probleme mit der Energieversorgung bekäme“, so DHK Präsident Pötsch. „Deswegen werden wir uns auch weiterhin gezielt für die Interessen der österreichischen Wirtschaft in Deutschland einsetzen.“
Pötsch ist davon überzeugt, dass der Energiekostendruck Produktivitätsschübe auslösen und damit unsere Innovationsfähigkeit noch mehr herausfordern wird. Sowohl Deutschland als auch Österreich sind aufgrund ihres hohen Entwicklungsstandes und ihrer erfolgreichen Industriebasis dafür prädestiniert. Wenn wir noch stärker zusammenarbeiten, bekommen wir die Lösungen noch schneller.
Diese Erkenntnis teilt auch der Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO), Gabriel Felbermayr.
Weitere wirtschaftspolitische Maßnahmen nötig
„Die Wertschöpfungsnetzwerke zwischen Deutschland und Österreich sind so verflochten wie jene weniger anderer Wirtschaftsräume. Daher ist es entscheidend, abgestimmte Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit zu finden – auf die sich anbahnende Deglobalisierung und die erforderliche Dekarbonisierung der Energiesysteme”, so Felbermayr. “Es gilt, die Wertschöpfungsnetzwerke resilienter zu machen. Dazu ist ein Ausbau der bilateralen Infrastrukturen notwendig, ein Abbau von Handelsbarrieren im europäischen Binnenmarkt, und ein gemeinsames Eintreten für Freihandel zwischen verbündeten Staaten. So lassen sich die wirtschaftlichen Schäden aus dem drohenden Decoupling des Westens mit dem Osten eindämmen”, Felbermayr weiter.
Appell an die Politik
Die aktuelle Krise zieht Konsequenzen und Aufgaben nach sich, die schnell umgesetzt werden müssen. Das gilt für den Auf- und Ausbau einer neuen Energieinfrastruktur, aber auch für die beschleunigte Weiterentwicklung der digitalen Infrastruktur. Dafür brauchen wir in Deutschland und Österreich einen verlässlichen Planungsrahmen, der sich auch als technologie offen erweist. Vor allem brauchen wir aber schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Auch die internationalen Rahmenbedingungen müssen schneller und entschlossener gesetzt werden. Deutschland, Österreich und Europa müssen sich mehr für freien und fairen Handel einsetzen. Handels- und Investitionsabkommen sind nicht nur ein Beitrag für Wachstum und Wohlstand, sondern unterstützen gemeinsame Bemühungen für Klimaschutz, soziale Standards und Menschenrechte.