Still standing: Rundumblick auf den Handel
Prophezeiungen sind das Los des Handels. Jeder fühlt sich bemüßigt zu wissen, was auf den Handel in Österreich, in Europa und auf der Welt zukommen und welche Probleme die Digitalisierung der Branche machen wird. Am Ende entscheiden doch wieder die nackten Zahlen und die sind – ohne große Überraschung – auf einem stabilen Niveau. Sowohl bei den Umsätzen des ersten Halbjahres 2019, als auch bei den Erträgen, die im Handel seit geraumer Zeit geringer ausfallen als in anderen Branchen.
Und trotzdem bricht Handelsspartenobmann Peter Buchmüller, selbst Adeg-Kaufmann in Salzburg eine Lanze für den Handel: „Ich würde heute unbedingt jungen Leuten oder Quereinsteigern raten in den Handel zu gehen. Denn im Zuge des Strukturwandels und im Hinblick auf die Digitalisierung ist vieles erreichbar“.
Um auch für die Zukunft gerüstet zu sein wurde schon vor mehr als einem Jahr in einem kurzen Umsetzungzeitraum die Lehre zum eCommerce-Einzelhandelskaufmann/Kauffrau ins Leben gerufen. Wenn die ersten digitalen Verkäufer ausgebildet sind, wird das der Branche einen weiteren Schwung geben. Dass der Handel neuen Entwicklungen offen gegenüber steht, das zeigen neue Lehrberufe, wie die Ausbildung zur Sportgerätefachkraft, die seit 1. August möglich ist.
Zahlen im Detail
Gegenüber dem ersten Halbjahr 2018 stiegen die Zahlen im ersten Halbjahr 2019 nominell um 1%. Mit dieser Entwicklung geht man einen konstanten Weg weiter. Betrachtet man die einzelnen Monate, so gab es im Jänner ein Plus von 1,5%, das vornehmlich vom Lebensmittelhandel getragen wurde. Im Februar, als das Plus auf 2,4% kletterte, war die Modebranche der Treiber, doch im März fiel der Handel in ein Minus von 2,8%. Der Grund dafür: Ostern fiel in den April, der genau deshalb im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 5,2% erreichte. Die Ausschläge nach oben und unten sind groß: Der Einzelhandel mit kosmetischen Erzeugnissen steigerte sich um 2,2% und jener mit Elektrogeräten, Computer und Foto verlor um 0,7%. Der Lebensmittelhandel (nach Nielsen berechnet) stieg um 1,6%. 41% der Einzelhandelsgeschäfte realisierten im 1. HJ 2019 Umsatzzuwächse, 18% blieben stabil und 41% hatten eine rückläufige Entwicklung zu verzeichnen.
Die gute Nachricht: Die Zahl der Beschäftigten stieg in den ersten sechs Monaten 2019 um 0,4%. Das macht bei der Menge der Arbeitnehmer rund 1300 Personen aus. Rund 335.000 Beschäftigte gibt es im Einzelhandel in Österreich.
Und noch einen Pluspunkt gibt es zu vermelden: das Beschäftigungswachstum ist nicht auf die geringfügig Beschäftigten zurückzuführen, im Gegenteil hier gab es sogar ein Minus von 0,8%. Tendenziell sinkt der Anteil der geringfügig Beschäftigten an allen Einzelhandels-Mitarbeitern in den letzten Jahren – er liegt nun bei 12,4%.
Handel wirkt inflationsdämpfend
Die Verkaufspreise im Einzelhandel sind im ersten Halbjahr 2019 um durchschnittlich 1% gestiegen und haben sich in der Entwicklung abgeschwächt. Die allgemeine Inflationsrate war zwar auch niedriger, aber sie lag immer noch bei 1,7% - damit deutlich höher als im Einzelhandel. Die stabile Umsatzentwicklung im stationären Einzelhandel führt aufgrund der Preiserhöhungen zu einer konstanten Entwicklung des Absatzvolumens im 1. HJ 2019. Unter Berücksichtigung der Preisentwicklung im stationären Einzelhandel mit 1% zeigt das nominelle Plus von 1% im 1. HJ 2019 eine Stagnation des Absatzvolumens.
Sonntagsöffnung
Erst unlängst hat die Vereinigung der Shopping Center Betreiber ASCS die Öffnung von 6-10 Sonntagen im Jahr gefordert. Obmann Peter Buchmüller dazu: "Die Freigabe der Sonntagsöffnung ist nicht in unserem Sinne und nicht im Sinne der Unternehmen."
Mehr als 90% der Unternehmen wollen die allgemeine Ausweitung der Sonntagsöffnung nicht. Einziger Wunsch wäre eine Tourismusregelung in Wien, wie es sie in vielen Gemeinden gibt. Denn hier gehe dem Land Kaufkraft der Touristen verloren. Auch dort wo es Öffnung in Tourismusgemeinden gibt wehren wir uns ja nicht. Wenn dort Händler aufsperren wollen, dann ist es auch in unserem Sinne.“
Buchmüller selber hat vor einem Jahr einen Vorstoß gemacht, sechs fixe Sonntage im Jahr für den Handel freizugeben. Allerdings habe er dafür keine Mehrheit unter seinen Mitgliedsbetrieben und auch von der Politik habe es eine kategorische Ablehnung gegeben. Grundsätzlich "unfinanzierbar" wäre es, die Sonntage mit 100-prozentigem Zuschlag sowie einem freien Tag zu versüßen und dann auch noch auf Freiwilligkeit zu setzen.
Ertrags- und Finanzsituation im Handel
Ein paar Wochen vor der Präsentation der Halbjahresdaten, die dem Handel ein befriedigendes Zeugnis ausstellen, veröffentlichte die KMU Forschung gemeinsam mit der Sparte Handel einen Bericht über die Erträge im Handel für das Bilanzjahr 2017/18. Auch Buchmüller spricht es klar aus: „Diese Daten zeigen eine Verschlechterung der Gewinnsituation im heimischen Einzelhandel“. Die österreichischen Einzelhandelsunternehmen können im aktuell vorliegenden Bilanzjahr 2017/18 durchschnittliche Gewinne (vor Steuern) in Höhe von 3,0 % des Netto-Umsatzes realisieren – nach 3,6 % im Bilanzjahr 2016/17.
Der Rückgang der Ertragssituation ist vor allem auf den (anteilsmäßig) steigenden Handelswareneinsatz zurückzuführen. Die Ertragskraft im Einzelhandel liegt weiterhin deutlich unter dem Durchschnittswert der marktorientierten Gesamtwirtschaft in Österreich (5,5 %).
65 % der bilanzierenden Einzelhandelsunternehmen erreichen die Gewinnzone, während 35 % rote Zahlen schreiben. Damit können im aktuell vorliegenden Bilanzjahr 2017/18 mehr Einzelhandelsunternehmen Gewinne realisieren als noch im vorangegangenen Bilanzjahr 2016/17 (63 %).
Die Analyse ausgewählter Top-Einzelhandelsbranchen zeigt, dass der Möbeleinzelhandel im Branchendurchschnitt die höchsten Gewinne (vor Steuern) erzielen kann (4,6 % des Nett-Umsatzes). Danach folgen der Uhren- und Schmuckeinzelhandel und der Elektroeinzelhandel mit jeweils 4,2 % Gewinn. Geringe Renditen weisen – nach Rückgängen im Vergleich zum voran-gegangenen Bilanzjahr – der Lebensmitteleinzelhandel sowie der Einzelhandel mit kosmetischen Erzeugnissen (mit je 0,9 % Gewinn vor Steuern) auf.
Sieht man sich den langfristigen Vergleich an, so ist trotzdem eine Verbesserung der Ertrags- und Finanzsituation in den vergangenen 10 Jahren zu sehen – von 1,5% auf 3%. Auch die Eigenkapitalausstattung ist gestiegen, das ist gut für Krisenanfälligkeit.
Die hohen Kostenblöcke im Handel sind der genannte Handelswareneinsatz (64,1%), die Personalkosten (16,8%) und sonstige Aufwendungen wie Miete oder Transport mit 16,5%. Das Beispiel Wareneinsatz wird immer wieder genannt und erhitzt die Gemüter: der österreichische Handel kann oftmals nicht in Deutschland Ware bestellen (die dort günstiger wäre), weil es Niederlassungen der Industriepartner in Österreich gibt. Spannend ist auch, dass die Klein-und Mittelunternehmen 10-249 Mitarbeiter) die höchsten Gewinne haben. Diese liegen bei 3,5 bis 3,8%. Danach sinkt die Marge wieder.
Es gibt verschiedene Gründe für die niedrigen Erträge des Handels: zum einen drückt der Onlinehandel natürlich den Daumen auf den stationären Handel und verändert die Margen damit maßgeblich. Aber auch die Investitionen in den letzten Jahren sind nicht zu vernachlässigen. Sie lassen den Gewinn schrumpfen, aber ohne Investitionen ist ein zukunftsträchtiger Handel nicht tragbar. Positiv zu bewerten ist die höhere Eigenkapitalausstattung.
Trotzdem gibt es klare Forderungen an die Politik: eine rasche Umsetzung der begonnen Steuerreform, eine Einführung eines Investitionsfreibetrages, die Verkürzung der Abschreibedauer, eine Herstellung der Wettbewerbsgleichheit mit dem ausländischen Online-Handel und ein stärkerer Fokus auf Steuergerechtigkeit.