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Datencheck: So trotzen Spar und Rewe der Inflation

Datencheck: Spar und Rewe trotzen der Inflation

Wie die beiden Supermarkt-Champions bei der Inflationsbekämpfung ihre Resilienz unter Beweis stellen. Und im Wettbewerb mit dem wieder an Boden gewinnenden Discounter-Duo Hofer/Lidl neue Akzente setzen.

Analyse: Hanspeter Madlberger

Hans K. Reisch in Salzburg und Marcel Haraszti in Wiener Neudorf zogen vor ein paar Tagen Bilanz über die Umsatz- und  Ertragsentwicklung ihrer Unternehmen im Krisenjahr 2022. Vom nominellen Umsatzplus der beiden, das meist von einem realen Minus begleitet war, hat retailreport.at ausführlich berichtet. Die Marktanteile der beiden sind ziemlich festgezurrt. Diesmal geht’s um die betriebswirtschaftlichen Hintergründe. Die Gretchenfrage an die Handelsbosse lautet: Welche Schäden hat die Mega-Inflation bisher dem Kosten- und Margengefüge deiner Firma zugesetzt? Und da sind die Kernbotschaften der zwei Großkaliber unseres LEH, die zusammen für knapp 70% des Branchen-Umsatzes aufkommen, praktisch deckungsgleich: Spar Österreich und Rewe International in Österreich, beide Unternehmen schaffen es glaubwürdig, den Anstieg der Lebensmittelpreise in ihren Märkten nachhaltig zu dämpfen. Zum Wohl der Konsumenten und zum Wohl ihrer eigenen Umsätze.

Um die Kundennachfrage einigermaßen zu stabilisieren, nehmen beide Handelsriesen jedoch beachtliche Spanneneinbußen in Kauf, was umso bemerkenswerter ist, als sie sich auch zu normalen Zeiten, nicht zuletzt wegen des heftigen Wettbewerbs, mit sehr moderaten Umsatzrenditen begnügen müssen.
Der Druck auf die Margen ist ein zweifacher: Die Lieferanten aus Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft drängen auf steigende Einstandspreise, die jedoch nicht 1:1 an die Konsumenten weitergeben werden können. Andererseits schmälern heftig gestiegene Energie- und Logistik-Kosten die Wertschöpfung der Distributionsstufe. Für 2023 droht darüber hinaus ein Anstieg der Personalkosten-Tangente aufgrund der hohen KV-Abschlüsse.

Folgendes Datengerüst untermauert diese Beobachtung

  • Namens der Spar Österreich Holding sagte Finanzvorstand Hans K. Reisch in der Presseaussendung vom 23. März: „Der Konzern ist mit einem EBT von 264 Millionen Euro und einem Eigenkapital von 3,2 Mrd. Euro gut aufgestellt. "Gemessen am Konzernumsatz von 18,63 Mrd. Euro ergibt das EBT (Earnings before Tax) eine Umsatzrendite von 1.42%. Gegenüber 2021 sank der Gewinn vor Steuern um knapp 21%.
  • Der Rewe Konzern (Rewe Group) meldete für 2022 einen Jahresüberschuss von 755,6 Millionen Euro und damit einen Gewinn-Rückgang im Ausmaß von 33,4% gegenüber 2021. Die Ertragsdaten der Rewe in Österreich werden zwar nicht separat ausgewiesen. Aber auf Medienanfrage erklärte Marcel Haraszti, Vorstand der Rewe International AG, die Erträge des Unternehmens in Österreich entwickelten sich parallel zu jenen in Deutschland. Bezogen auf den Gesamtumsatz von 84,8 Mrd. Euro lag die Umsatzrendite des Kölner Genossenschaftskonzerns 2022 bei 0,6%. Legt man der Renditeberechnung jedoch das EBITA  (Jahresüberschuss vor Zinsen, Ertragssteuern und Firmenwert-Abschreibungen) zugrunde, so ergibt sich eine Umsatzrendite von 1,7%.

Beide Konzerne verfügen über einen hohen Eigenkapital-Polster  

Die Spar Österreich meldete für 2021 eine Eigenkapitalquote von 37,8% (der Wert 2022 liegt noch nicht vor), der Rewe Konzern kam 2022 auf knapp 25%. Dass die jeweiligen Eigentümer, also die österreichische Großhändler-Familien-AG und die deutsche Kaufleute-Genossenschaft trotz der chronisch niedrigen Nettomarge über einen beachtlichen EK-Anteil verfügen, ist das Ergebnis einer über Jahrzehnte praktizierten kaufmännischen Tugend. Nämlich, die erwirtschafteten Überschüsse großteils im Unternehmen zu belassen. Das ist mittelständische Resilienz par excellence, wie Lionel Souque sagen würde. Der bürgerlich-kaufmännische Gegenentwurf zu einem auf rasche Gewinnabschöpfung programmierten, börsennotierten Turbokapitalismus. Konsumentenschützer und Lobbyisten aus Landwirtschaft und Industrie wollen das partout nicht zur Kenntnis nehmen.

Nach guter Händler-Tradition übersteigen die Lieferantenkredite Jahr für Jahr den Wert der Warenvorräte beträchtlich, entsprechend gering ist die Abhängigkeit von Bankkrediten, was natürlich im Zeiten wachsender Bankkreditzinsen ein Vorteil ist. Die weitgehende Selbstfinanzierung der Ersatz-, Rationalisierungs- aber auch Expansions-Investitionen aus den Abschreibungen erweist sich als weiterer Resilienzfaktor.

 Als eine Riesenherausforderung der nächsten Jahre präsentieren sich freilich...  

...die Investitionen  in die Digitalwirtschaft

Auf diesem Feld zeigt sich die Rewe deutlich ambitionierter als die Spar, die sich beharrlich weigert, ihre Onlineumsätze zu  nennen. Dazu passt die Einstellung zum Data based Marketing: “Der Kunde ist kein Datenlieferant“, betonte Hans K. Reisch gegenüber den Salzburger Nachrichten. Anders die Rewe. Köln meldete für 2022 einen e-Commerce-Umsatz von rund einer Milliarde Euro. Billa Österreich legte 21/22 im Online-Handel um 26% auf 66 Millionen Euro zu, Bipa steigerte um 96% (!) auf  20 Millionen Euro. Täglich werden bei Billa mehr als 2000 Bestellungen aus den beiden Food Fulfillment Centers im Raum Wien ausgeliefert. Vorstandsmitglied Christoph Matschke, de facto der Chief Digital Officer (CDO) der Rewe International, beschäftigt in seiner IT-Abteilung mehr als 600 (!) Experten, will diese Anzahl heuer um weitere 50 aufstocken und arbeitet an einer Neustrukturierung des digitalen Equipments für die neun RIAG-Länder, von Österreich bis Litauen. Die Automatisierung in den Checkouts durch den Einsatz von KI-Systemen nimmt speziell in Deutschland Fahrt auf. Generell aber hinkt beim Einsatz der Künstlichen Intelligenz D gegenüber den USA und A gegenüber D deutlich hinterher.     

Das Umsatzmatch zwischen Billa und Spar

beherrscht seit Jahrzehnten den Lebensmittelhandel in Österreich. Gelistet zu sein, sowohl in den 1067 Spar Supermärkten, den 50 Spar Gourmet Märkten, den 232 Eurospar Verbrauchermärkten, den 71 Interspar- und den 7 Maximarkt-Hypermärkten, ist für das Gros der nationalen Frischwarenproduzenten, Markenartikler und Importhäuser ebenso unverzichtbar, wie die Präsenz in den 1276 Billa und Billa Plus Märkten sowie in den mehr als 302 Penny Märkten, den 370 Märkten der Adeg Kaufleute, den 25 Ländle Märkten des Jürgen Sutterlüty. Dazu kommt bei beiden eine größere Anzahl von Tankstellenshops, wobei die Rewe über das größere Netz verfügt. Die Flächenexpansion ist auf ein minimales Ausmaß geschrumpft, so ist die Spar-Verkaufsfläche in Österreich von 2021 auf 2021 nur um bescheidene 12.400 m2  (= 1%) gewachsen.

Was das Einkaufsvolumen betrifft, dürfte Spar im Food-Bereich aufgrund des höheren LEH-Marktanteils leicht vor den heimischen Formaten der Rewe liegen, bei Nonfood 1 (Wasch-& Reinigungsmittel, Körperpflege, Haushaltsartikel) tragen die auf Erfolgskurs zurückgekehrten Bipa Filialen dazu bei, dass etliche Verkaufsleiter der betreffenden Markartikel-Multis ihre Besuche in Wiener Neudorf mit etwas höheren Umsatz-Planvorgaben antreten, als wenn sie in der HZ in Salzburg aufkreuzen. Haraszti über den Umsatzfrühling der Parfümeriemarkt-Kette: „Zum dritten Mal in Folge konnte Bipa 2022 stärker wachsen als die beiden Hauptmitbewerber“. Gemeint sind dm und Müller.

Ob man sich mit den Lieferanten auf eine gemeinsame Aktionsstrategie

verständigen  kann, kommt, egal ob in Salzburg oder in Wiener Neudorf, der Wahl zwischen Pest und Cholera gleich. Eine Qual, die man mit dem Lieferanten teilt. Zu wenig Aktionsdruck bedeutet für beide Seiten Umsatzsatzverzicht, zu viel demoliert die Margen entlang der Lieferkette. Die Spar war schon immer sehr Promotion-freudig, die Rewe hat im letzten Jahr massiv nachgezogen. Laut Haraszti stieg bei Billa der Aktionsanteil 2022 auf 34,5%, bei Billa Plus auf 43%. Insgesamt liefen bei den Rewe Formaten im  letzten Jahr 37,6% der Verkaufserlöse über Aktionsware, im LEH-Durchschnitt lag dieser Wert laut NielsenIQ bei  37,9%, also nur knapp darüber. Im Discount-Sektor kamen laut GfK Hofer und Lidl auf einen Aktionsanteil von 8,3%, Penny hingegen lag mit 33,2% um Längen darüber. Auf der Aktivseite der Aktionsschlacht stehen steigende Besuchsfrequenzen, über höhere Kassenbons liegen uns keine Information vor.    

Die mit Flugblättern voll gestopften Briefkästen von Familie Österreicher sowie die zahlreichen Pickerl- und Sticker-Aktionen lassen vermuten, dass der Aktionswettlauf zwischen Spar und Rewe sich im ersten Quartal 2023 noch intensiviert hat. Umso ärgerlicher ist, dass die Lebensmittel-Preiserhebungen der Arbeiterkammer Wien den Inflations-dämpfenden Effekt dieser Promotion-Schlacht wenn schon nicht ignoriert, so doch drastisch herunter spielt. Man kann nicht oft genug auf diese Marktforschungs-Großbaustelle hinweisen.

Auch auf dem Wettbewerbsfeld der Preiseinstiegsmarken

schenken Spar und Billa einander nichts. S-Budget und Clever legen weiterhin an Umsatz und Artikelanzahl zu, dabei geht es vor allem  darum, die Shopper Journeys der Haushalte umzudirigieren, weg von Hofer und Lidl und hin zu den eigenen Formaten. Die Spar erreicht mittlerweile mit ihren über 7500 Eigenmarken-SKUs einen Umsatzanteil von 44%, da ist allerdings das gesamte Tann Sortiment inkludiert. Zugleich konnten, wie Reisch betont, die Bio- und Premium-Eigenmarken ihr Umsatzvolumen halten. Auch in dieser Disziplin beschleunigt der Herausforderer die Aufholjagd. Laut Haraszti schaffte Ja!Natürlich 2022 ein Wachstum von 5%, Billa Bio, die junge Zweitmarke, legte um 35% zu. Kritischer Seitenblick auf die Markenartikler: Die waren schon säumig, als der Handel vor zwanzig Jahren mit seinen Private Labels die Bio-Welle hochjagte. Ähnliches ist jetzt bei Innovationen im Vegan-Bereich, aber auch bei Tierwohl-Fleisch zu beobachten.

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Frage:

Wer hat die stärksten Kaufleute-Kohorten in seinen  Reihen? 

Die Rewe steht vor der kniffeligen Herausforderung, dass sie in Deutschland wie auch in Österreich in dieser Disziplin nicht auf dem Siegerpodest steht. Auf dem deutschen Heimmarkt liegt LEH-Marktführer Edeka bei den Kaufleute-Umsätzen deutlich vor der Rewe. Jüngst veröffentlichte die LZ eine Liste der 20 umsatzstärksten Lebensmittelkaufleute Deutschlands. Diese Liste umfasst 16 Edeka-Einzelhändler und vier aus den Reihen der Rewe. Hierzulande stehen 679 Märkte von Spar-Kaufleuten den 370 Standorten von Adeg-Einzelhändlern gegenüber. Was das Umsatzvolumen betrifft, ist die Differenz vermutlich noch größer, da schlagen auch die famosen Markterfolge der Eurospar-Kaufleute zu Buche. Sie punkten mit umfangreichen Regionalsortimenten und sind begehrte Adressaten von Markenartikel-Sonderplatzierungen. Für Jan Kunath, den Vize-Vorstandsvorsitzenden in der Kölner Domstraße ist der zügige Aufbau einer Gruppe von Billa Kaufleuten ein wichtiges Anliegen. Bislang verlief dieses Projekt hierzulande nicht gerade zügig sondern, vorsichtig ausgedrückt, zögerlich. Ein Anliegen haben die Kaufleute aller zweistufigen Handelsketten gemeinsam: Dass ihnen ihr Kettengroßhändler Bruttospannen garantiert, die es ihnen erlauben, die heuer zu erwartenden enormen Energie- und Personalkosten-Steigerungen zu schlucken.       

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geschrieben am

03.04.2023