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Corona-Beben erschüttert Shopping-Center-Landschaft

Corona-Beben erschüttert Shopping-Center-Landschaft

Das Beratungsunternehmen Standort + Markt (S+M), bekannt für nüchterne, streng faktengestützte Analysen zu Österreichs Shopping Malls, Fachmarkt-Zentren und Einkaufsstraßen, legte kürzlich eine Expertise über die dramatischen und tief greifenden Corona-Auswirkungen auf die heimische Shoppingcenter-Landschaft vor.

Bericht: Dr. Hanspeter Madlberger

Der Shutdown mache Bruchlinien im Shopflächen-Geschehen deutlich, befinden die S+M-Chefs Hannes Lindner und Roman Schwarzenecker in Ausgabe 7 ihres Newsletters zur Corona-Krise.

Indikatoren dieser Erschütterungen sind ein zu erwartender Anstieg der Fluktuationsrate von  13,6% in vor-Corona-Zeiten auf voraussichtlich 15 bis 20%, begleitet von einer Erhöhung der  durchschnittlichen Leerstandsrate, von 7,8% auf über 10%.  Hohe Leerstände in einem Center, von jedem Besucher mit freiem Auge erkennbar, sind ein untrügliches Krisensignal. Denn dahinter verbirgt sich, betriebswirtschaftlich  betrachtet, eine niedrige Flächenproduktivität, gleichzusetzen mit einer schwachen  Profitabilität. 

Dabei erweisen sich der Shutdown und der holprige Neustart als „Brandbeschleuniger“.  Die Corona-Krise verstärkt die Negativfolgen des in Österreich viele Jahre hindurch gewachsenen Überangebots an Shoppingcenters und Fachmarkt-Agglomerationen an der Peripherie, verbunden mit der Umsatzerosion, die der stationäre Nonfoodhandel durch die rasant wachsenden e-Commerce Verkäufe erfährt. COVID-19 bescherte dem Onlinehandel einen zusätzlichen Wachstumsschub, das macht diesen Disruptions-Cocktail noch brisanter. 

Wie der Rückzug von Dressmann aus dem österreichischen Markt und andere Pleiten im nationalen und internationalen Modehandel zeigen, gehen immer mehr Filialisten dazu über, unrentable Standorte zu schließen und damit ihr Gastspiel in heimischen Malls abrupt zu beenden. Diese Entwicklung stellt die Zentrenbetreiber vor die Herausforderung, ihre Mietermix-Strategie von Grund auf zu überdenken. Denn hohe Fluktuation, wachsende  Leerstände und der Exodus von Frequenzbringern ziehen nicht nur drastisch sinkende Mieteinnahmen nach sich, sie bedrohen den Lebensnerv von Shopping Malls und innerstädtischen Einkaufsgalerien, nämlich die Kundenfrequenz. Diese baut ihrerseits auf einem Mindestmaß an Kundentreue. Für Zentren, die schon bisher mit einer kränkelnden Shopperloyalität zu kämpfen hatten, bedeutet der Shutdown die reinste Katastrophe, erweist sich bei einem durch Aktionitis befeuerten Restart als ebenso kostspieliges, wie hochriskantes  Unterfangen. Illoyale Kunden, die in den Onlinehandel abgewandert sind, durch Rabattaktionen  zurückerobern zu wollen, diese Rechnung kann nicht aufgehen.

Schwere „Ehekrise“ zwischen Vermietern und Mietern

Die Corona-Krise zieht massive Spannungen in der Beziehung zwischen Zentren-Investoren bzw.  Zentren-Managementfirmen und den eingemieteten Handelsunternehmen nach sich. Was in Zeiten des Umsatzwachstums als win/win-Partnerschaft funktionierte, mutiert in einer  massiven Wirtschaftskrise zu einer Zwangsehe mit hohem Konfliktpotential, was die Mietengestaltung betrifft. 

In Deutschland haben Anfang April Vertreter des Handels und der Immobilienindustrie unter der Moderation des German Council of Shopping Places (GCSP) einen Code of Conduct als gemeinsamen Leitfaden formuliert. Dieser umfasst zehn Handlungsempfehlungen, die Mieten in der Corona-Krise betreffend, zu denen sich beide Parteien bekennen können. Hierzulande hat sich der  Dachverband ACSC gegen eine solche Vorgangsweise ausgesprochen. Begründung: Ein Code of Conduct sei in Österreich schwieriger zu vereinbaren, da hierzulande die §§ 1104 und 1105 des ABGB wie ein Damoklesschwert über diesem Thema hängen und somit einige Händler veranlassen, davon auszugehen, dass sie ohnehin keine Miete/Pacht zu entrichten haben. Der ACSC war jedoch im Hintergrund intensiv tätig, als es um die Richtlinien zum Wiedereröffnen ging (Stichwort 10 m²-Regel) und bringt nun auch seine Expertise bei den Richtlinien zu den Fixkostenzuschüssen ein.

Beim nördlichen Nachbarn aber kochen die Auseinandersetzungen über Mietensenkung zwischen Händlern und Zentrenvermietern hoch. Nonfood-Discounter wie Kodi, Tedi, Kik und Action drängen laut LZ -Hintergrundstory „Wofür noch Miete zahlen?“ vehement auf eine drastische Senkung der Mieten in den Zentren. Die Ausgangslage: Laut EHI-Studie beruhten 2019 nicht weniger als 85,7% der  Mietvereinbarungen im Handel auf einer Fixmiete, indexiert mit den Lebenshaltungskosten. 50% der Shopping Center-Mieten und 53,6% der  Mieten in Innenstadtlagen haben eine Laufzeit von fünf Jahren. Jetzt setzt seitens der Mieter ein Run auf kürzere Laufzeiten ein, bei rückläufigem Geschäftsgang entwickeln umsatzvariable Mieten neuen Charme. Der wachsende Onlinehandel und die Offensive der Discounter, die bei sinkender Beschäftigung neue Wachstumschancen wittern, führen über kurz oder lang dazu, dass mit den Mieten auch die Preise für Gewerbeimmobilien sinken.  

Besonders prekär ist vor diesem Szenario die Lage der vom Shutdown hart getroffenen, in Umstrukturierung befindlichen Galeria Karstadt Kaufhof-Warenhäuser. Deren Betreiber, René Benkos Signa-Konzern, ist mit seinen beiden Sparten Immobilien und Retail einer enormen internen Belastungsprobe ausgesetzt. Zwar besitzt Signa nach Einschätzung von Experten weit weniger als die Hälfte der über 170 Karstadt/Kaufhof-Immobilien, aber wenn  tatsächlich die Schließung von rund 80 Häusern ins Auge gefasst wird, bleibt dennoch das Schicksal der Signa Immobilien- mit jenem der Signa Retail-Sparte eng verwoben.

Große Bandbreite bei der Flächenproduktivität

Ein heißes Eisen der heimischen Shoppingcenter-Community ist die starke Polarisierung zwischen stark frequentierten und an Besucherschwund sowie niedrigem Durchschnittseinkauf leidenden Zentren. Nach Daten, die retailreport.at vorliegen, erreichen die erfolgreichsten Zentren jährliche Quadratmeter-Umsätze von 5000.- bis 6000 Euro und mehr. Zu den Spitzenreitern zählen der Europark Salzburg, der Messepark Dornbirn und die Linzer Plus City. Hingegen grundeln nicht wenige andere Zentren bei Quadratmeterleistungen von 3000 Euro und weniger dahin. Da heulen in der Krise die Alarmsirenen auf.

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geschrieben am

25.05.2020