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Handel nicht der Hauptverantwortliche für Bodenversiegelung

Bodenversiegelung: Aufräumen mit Fake-News

Neue Studie von Standort+Markt im Auftrag von Handelsverband (HV) und Austrian Council of Shopping Places (ACSP) stellt in Bezug auf Flächenverbrauch erstmals einiges klar.

Seit Jahrzehnten hält sich ein Gerücht hartnäckig: der Handel als Branche sei der größte Bodenversiegler Österreichs. Eine neue Studie von Standort+Markt im Auftrag des Handelsverbandes und des ACSP rückt die Tatsachen erstmals ins rechte Licht: Der Österreichische Handel steht für nur 0,6% der Flächeninanspruchnahme. Wohnbau (45,4%) und Straßen (36,0%) tatsächliche Treiber.

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Es mag sein, dass vor 50 Jahren der Handel seine erste Hochblüte erlebte und Nahversorger auf der Grünen Wiese entstanden. Doch diesem Trend hat man bald Einhalt geboten. Heute werden Handelsneubauten äußerst gut überlegt und äußerst genau hinterfragt. Der Trend hin zur Zwei- und Mehrfachnutzung ist stark gegeben, was auch die Experten so sehen. Zu den Details:

Handel nur für 5,2% der Betriebsflächen verantwortlich 

Von den 83.883 km2 Gesamtfläche, die Österreich umfasst, sind aufgrund der Topographie lediglich 32.540 km2 zur Besiedelung geeignet – der sogenannte Dauersiedlungsraum. Davon sind – Stand heute – 2.411 km2 auch tatsächlich versiegelt. Zum Vergleich: 36.105 km2 entfallen auf Wälder, 23.846 km2 auf Äcker, Wiesen oder Weiden. Auf Betriebsflächen der unterschiedlichsten Branchen entfallen 683 km2. Auch hier ist aufgrund der Struktur der amtlichen Statistiken keine weitere Unterscheidung nach Wirtschaftszweigen möglich. Dies leistet nun erstmals die neue Studie von Standort + Markt für den Handelsverband und das Austrian Council of Shopping Places (ACSP). Zentrale Ergebnisse: 

  • Der gesamte österreichische Einzelhandel hält derzeit bei einer Verkaufsfläche von 13,2 km2.
  • Bezogen auf die gesamten in Anspruch genommenen Flächen nutzt der Einzelhandel derzeit 35,7 km2. In dieser Zahl sind neben den Verkaufsflächen auch Parkplätze sowie Lagerflächen inkludiert. Das entspricht nur 5,2% der gesamten Betriebsflächen des Landes bzw. lediglich 0,6% am gesamten Bodenverbrauch. Zum Vergleich: 45,4% entfallen auf den Wohnbau, 36% auf Verkehrsflächen, 11% auf handelsfremde Betriebsflächen.

Lebensmittelhandel für lediglich 0,8% der jährlichen Neuversiegelung verantwortlich

Mit einem Umsatz von rund 26,1 Mrd. Euro (2022) bzw. einem Anteil von fast einem Drittel (32%) am gesamten Einzelhandelsumsatz nimmt der Lebensmittelhandel eine besonders prominente Rolle ein. Gemessen an der Flächeninanspruchnahme (14,4 km²) liegt der Kurzfristbedarf (Lebensmittelhandel und Drogerien) bei 40% der Flächeninanspruchnahme des gesamten Einzelhandels (35,7 km²).

Laut Studie betrug die Neuflächenversiegelung im Lebensmittelhandel im Schnitt der letzten drei Jahre 0,19 km2 p.a. "Bei einer zuletzt neu versiegelten Fläche von 24 km² entspricht der Anteil des Lebensmittelhandels einem Wert von höchstens 0,79% an der gesamten jährlichen Neuversiegelung sowie einem Anstieg der bereits vom Lebensmittelhandel belegten Flächen um ca. 1,6% jährlich. Damit sichert die Branche die Versorgung unserer wachsenden Bevölkerung. Denn auch die Wohnbevölkerung Österreichs wuchs von 2022 auf 2023 um 1,4 Prozent", bekräftigt Handelssprecher Rainer Will. 

Nur 0,19% der neu versiegelten Fläche entfällt auf Shoppingcenter 

Näher beleuchtet wird in der Studie auch die Shoppingcenter-Branche. Österreichweit gibt es laut Standort + Markt derzeit 245 Shoppingcenter (Shopping Malls, Retail Parks, Outlet Center und Sonderformen) mit einer Grundstücksfläche von insgesamt 8,0 km2. Von dieser Fläche sind 89,4% versiegelt, wobei von der versiegelten Fläche je etwa die Hälfte auf das Gebäude selbst, die andere Hälfte auf Park- und Verkehrsflächen entfällt. Damit haben die Shoppingcenter in Österreich bis dato mit einer gesamten versiegelten Fläche von 7,2 km² lediglich 0,3% Anteil an der Gesamtflächenversiegelung von Österreich (derzeit 2.411 km²). "In Bezug auf die Betriebsflächen halten die Shoppingcenter in Österreich einen Flächenanteil von 1,18 Prozent. Der Anteil an der bisherigen Flächeninanspruchnahme insgesamt fällt mit 0,14 Prozent besonders niedrig aus", bestätigt Christoph Andexlinger.

Bundesländervergleich: Das Burgenland ist am meisten verbaut 

Regional sind die Trends bei der Bodenversiegelung sehr unterschiedlich. Mit Abstand negativer Spitzenreiter ist das Burgenland. Hier sind pro Einwohner und über alle Nutzungsarten hinweg bereits 500 m2 versiegelt. Mit großem Abstand folgt Niederösterreich (402,8 m2) vor Kärnten (365,5 m2). Aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und entsprechend dichter Bauweise am wenigsten versiegelte Fläche pro Kopf weist Wien mit 55,5 m2 auf. Aber auch in Vorarlberg (177,6 m2) und Tirol (222,0 m2) geht man vergleichsweise sparsam mit dem Boden um.

Eines ist jedoch allen Bundesländern gemein: Der Anteil des Einzelhandels an der versiegelten Fläche liegt immer im äußerst niedrigen einstelligen Prozentbereich, bei Shoppingcentern sogar bei unter einem Prozent.

Empfehlung an die Bundesregierung: Einbezug in Bodenstrategie und Modernisierung der Raumordnung(en)

Das Korsett der Raumordnung ist ein Vierteljahrhundert alt und Regelungen wie die Verkaufsflächenbeschränkung verhindern immer häufiger, dass Geschäftsbauten für den LEH überhaupt noch errichtet oder an die Erfordernisse der heutigen Zeit angepasst werden können. In zahlreichen Gemeinden in Tirol, Kärnten oder Niederösterreich werden dadurch de facto alle geeigneten Standorte rechtlich ausgeschlossen. Gewonnen ist damit jedoch nichts. Handelsbetriebe siedeln sich ungeachtet der Wünsche einer Raumordnung dann nicht im Ortszentrum an, wenn dies aus unterschiedlichen Gründen schlichtweg keinen Sinn macht.

"Handelsverband und ACSP fordern einen unbedingten Einbezug der Ergebnisse der Studie in die Bodenstrategie der Bundesregierung, da die neue Faktenlage die Basis für das politische Handeln sein muss. Der Föderalismus mit neun unterschiedlichen Raumordnungen ist in vielen Fällen ein Wettbewerbshindernis. Die Landesgesetzgeber verfolgen gleichartige Ziele, insbesondere die Erhaltung der Ortszentren und die Sicherung der Nahversorgung, jedoch mit teils erheblich divergierenden Konzepten. Der Handelsverband und das ACSP empfehlen daher eine maßvolle Reform, welche mit einer grundsätzlichen Einigung der Bundesländer auf zeitgemäße Standards und einheitliche Definitionen ihren Ausgang finden könnte", so Rainer Will und Christoph Andexlinger unisono.

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geschrieben am

06.10.2023