Direkt zum Inhalt
GfK Consumer Panel liefert harte Fakten über die Auswirkungen der Inflation auf das Shopper-Verhalten im Food & Drug Einzelhandel

Beschädigung von Ladentreue und Markentreue

GfK Consumer Panel liefert harte Fakten über die Auswirkungen der Inflation auf das Shopper-Verhalten im Food & Drug Einzelhandel.

Ein Bericht von Hanspeter Madlberger

Klara Fichtenbauer sprach Klartext. In ihrem Referat beim Markant Informationstag lieferte die Marktforscherin, gestützt auf brandaktuelle Daten des GfK Consumer Panels, harte Fakten betreffend die Auswirkungen der Inflation auf das Einkaufsverhalten der Konsumenten und damit auch auf das Umsatzgeschehen in unseren Supermärkten. Quintessenz ihrer Ausführungen im Palais Ferstel: Vier Top Trends, die  dem österreichischen FMCG-Handel und seinen Lieferanten heuer ein besonders hohes Maß an Professionalität in der Sortiments-, Preis- und Aktionspolitik abverlangen.  

Trend  Nr.1: Die Einkaufsfrequenz steigt um 3,3%.

Nach Jahren sinkender Einkaufsfrequenz gehen die Shopper heuer wieder öfter einkaufen. Österreichs rund vier Millionen Haushalte suchten im ersten Halbjahr  113 Mal einen Lebensmittel- oder Drogeriemarkt auf. Gegenüber dem 1.HJ 22 ein Plus von 3,3%. In absoluten Zahlen: Vier zusätzliche Einkäufe pro Haushalt, insgesamt 17,4 Millionen zusätzliche  Einkaufsakte in diesem ersten  Halbjahr 23.. 

Eine erfreuliche Nachricht für die Einzelhändler der FMCG-Branche? Nicht unbedingt! Denn 63% der Panel-Teilnehmer gaben zu Protokoll: „Ich bin durchaus bereit, meinen Bedarf in mehreren Geschäften zu decken, wenn ich dadurch bessere Preise und Sonderangebote bekomme“. Höhere Einkaufsfrequenz bedeutet andererseits: Das Umsatzgewicht des Shoppertyps  „Großeinkäufer“ geht, zum Leidwesen der Großmärkte, zurück.
Das bedeutet in  letzter Konsequenz: Die Inflation befeuert die Schnäppchenjagd und schwächt die Ladenloyalität.

Trend Nr. 2: Shopper verlagern ihre Einkäufe verstärkt in den Diskont

Der Marktanteil der Diskonter (Hofer, Lidl, Penny, Norma) im FMCG- Einzelhandel (LEH + DFH) lag im 1.HJ 2021 bei 26%, stieg 2022 auf 27% und erreichte 2023 einen Wert von 28%. Übrigens, auch Bio-Einkäufe werden verstärkt bei Discountern getätigt. Die Hypermärkte und der Drogeriefachhandel konnten bislang ihre Marktanteile halten. Supermärkte verloren leicht (minus 1 %-Punkt von 1.HJ 22 auf 1.HJ.23), stellen aber mit 34% den stärksten Betriebstyp. Drittstärkstes Format hinter Supermärkten und Diskontern sind die Hypermärkte mit stabilen 22%. Über das Schicksal der kleinen Nahversorger schweigt sich das GfK-Panel aus. 

Und jetzt wird`s kompliziert. In ihrem Referat  vor den Markant-Großhändlern und ihren Industrie-Partnern wies Frau Fichtenbauer auf  die sehr unterschiedliche Diskonter-Präferenz einzelner Shoppertypen hin. Mit Blick auf ihre aktuelle, von der Teuerung beeinträchtigte finanzielle Situation unterscheidet das Panel drei Kundentypen:

  •  „Finanziell Stabile“ sagen: „ich kann mir, der Teuerung zum Trotz; weiterhin fast alles leisten“, auf diese Gruppe entfallen aktuell 36%  der Panel-Haushalte. Aber dieser Anteil ist stark geschrumpft,  er sank von 45% im Jahr 21 auf 38%  im Jahr 22 und sackte im 1.HJ. 23 auf die erwähnten 36% ab.
  • 42% zählen zum Shoppertyp der „Finanziell Angeschlagenen“. Ihre durchaus tapfere Selbsteinschätzung: “Ich komme im Großen und Ganzen mit der  Teuerung zurecht.“ Sie stellen mit 42 % Anteil die stärkste Gruppe dar. Dieser Anteil ist gegenüber '21 leicht gestiegen, damals lag er bei 40%.
  • Bleiben als dritte, zwar noch immer kleinste, aber stark wachsende Gruppe die Finanziell Leidenden. 23% der Haushalte sind aktuell diesem Shoppertyp zuzuordnen. Vor zwei Jahren waren es nur 16%. Bei ihnen löst die Teuerung existenzielle Ängste aus: “Ich kann mir fast nichts mehr leisten!“.

Verknüpft man den Inflations“-Shoppertypen-Raster mit den Diskonter-Marktanteilen, so ergibt sich folgendes Bild:

  • Bei den „Stabilen“ steigen die Diskonter-Marktanteile am stärksten, nämlich von 24% im Jahr  2021 auf 26% im 1.HJ 2023.
  • Bei den „Angeschlagenen“ legte der Diskonter-MA von 27 auf 28% zu.
  • Die „Leidenden“ zog es schon immer zu Hofer, Lidl & Co, ihr Diskonter-MA bleibt unverändert auf dem Rekordwert von 30%.

Fazit:  Der Handel hat es, ausgelöst durch die Teuerungswelle, mit zwei gegenläufigen Entwicklungen zu tun: Zum einen steigt absolut die Zahl jener Käufer-Haushalte, die unter der Inflation  stark oder moderat leiden. Sie kommen insgesamt für fast zwei Drittel der Kunden auf. Andererseits ist der Swift vom Supermarkt-Besuch zum Diskonter-Einkauf bei der allerdings schrumpfenden Anzahl der Besser Verdienenden („Finanziell Stabile“) am  stärksten.  Auf jeden Fall aber gilt: Die Teuerung bringt Rückenwind für den Diskont und Gegenwind für Voll- und Nahversorger,

Trend Nr. 3: Preiseinstiegs-Handelsmarken legen deutlich zu, alle Herstellermarken hingegen verlieren

Lag der Umsatzanteil der Preiseinstiegs-Handelsmarken im 1.HJ '22 noch bei 24%, so kletterte er im 1.HJ.23 auf  27%. Tendenz also stark steigend. Dabei ist anzumerken, dass der Frischwaren-Bereich mit Ausnahme der Molkereiprodukte und der Wurst-SB-Packungen in Hinblick auf die Handelsmarken- und auch die Aktionsanteile (siehe Trend Nr. 4) nicht erfasst wurde, weil Sortimente wie Frischfleisch und Wurst aus der Bedientheke, Obst und Gemüse, Brot und Backwaren aus der Backstation weitgehend anonym angeboten werden und daher seitens der Panel-Haushalte beim Kurant- wie beim Aktions-Einkauf weder dem Hersteller- noch dem Handelsmarken-Sektor zugerechnet werden können. Und somit ausgeklammert bleiben.

Der Anteil der Mehrwert-Handelsmarken (einschließlich der gesamten Bio-Range) hat sich seit dem 1.HJ.21 bei 10% gefestigt. Insgesamt kommen somit die Handelsmarken bei steigender Tendenz auf einen Anteil von 37%. In Wahrheit ist er noch um einiges höher, weil ja viele Frischwaren in der Bedientheke wie Tann-Fleisch und -Wurstwaren der Spar oder Frische Snacks etc. de facto als Eigenmarken des betreffenden  Händlers einzustufen sind.

Unterteilt nach Shoppertypen, entfallen bei den „Leidenden“ bereits  41% der Einkäufe  auf Handelsmarken (2021 waren es nur 36%), bei den „Angeschlagenen“ stieg die Quote der Private Label-Einkäufe binnen zweier Jahre von 33 auf 37%. Und auch jene, die es sich leisten können, auch in Zeiten der Teuerung höherpreisige Markenartikel zu kaufen, wenden sich verstärkt den Handelsmarken zu. Der Handelsmarken-Anteil stieg bei den „Stabilen“ in diesem Zeitraum von 30 auf 34%.

Im Markenartikel-Sektor blieben die Anteile bis 2022 ziemlich unverändert. Im ersten Halbjahr '23 setzte jedoch die Abwärtsbewegung ein. Sogar der Anteil der Marktführer-Herstellermarken, zuvor ein Markenartikel-Fels in  der Handelsmarken-Brandung, ging zurück. Dieser Anteil sank im ersten HJ '23 auf  20%, 2022 lag dieser Wert noch bei 21%. Auch die Premium-Herstellermarken verloren einen Prozentpunkt (von 13 auf 12%), die Mittelpreismarken büßten sogar 2%-Punkte an Marktbedeutung ein (von 33 auf 31%). 

Insgesamt  ging im Halbjahresvergleich '23  zu '22 der Anteil der Herstellermarken von 67% auf  63% und damit um 4 Prozentpunkte zurück. Die Markenloyalität bröckelt unter dem  Druck der Teuerung, selbst bei der Kernklientel der Markenartikel, den Besserverdienern. Fichtenbauers Schlussfolgerung: Die Veränderungen im Kaufverhalten bedeuten kein „Nein  zum Markenartikel“, verlangen aber von der Industrie viel Pragmatismus im Umgang mit diesen spektakulären Marktanteils-Einbußen.

Trend Nr. 4: Die Anteile der Aktionseinkäufe steigen auf neues Rekordniveau

Bei den Herstellermarken stieg der Promo-Anteil vom 1.HJ 21 zum 1. HJ.23  um 3% -Punkte, nämlich von 42 auf 45%. Aber auch die Handelsmarken, ursprünglich auf Dauerpreis „programmiert“, werden immer  häufiger aktioniert. Ihr Promo-Anteil erhöhte sich im zwei-Jahre-Vergleich von 16 auf 17%.

Und auch hier sind es wieder die „Stabilen“, die  ihre Aktions-Käufe von Herstellermarken  am stärksten erhöht haben. Ihr Promo-Anteil stieg im zwei Jahresvergleich um 5% Punkte (von 43 auf 48%), „Angeschlagene“ steigerten um 3 %-Punkte (von 42 auf 45%), „Leidende“  um 3% Punkte (von 39 au 42% ).

Wie ein roter Faden zieht sich durch die  GfK-Studie dieses Key Learning für Handel und Industrie: Es sind vor allem die „Finanziell Stabilen“, die besonders preissensibel einkaufen und ihr Shopperverhalten seit 2021 unter dem Eindruck der Teuerung  am stärksten verändert haben. 

Vor allem an diese Zielgruppe richtet sich das Aktionsfeuerwerk, das der Handel im Schulterschluss mit vielen namhaften Markenartiklern Woche für Woche entfacht. Die Kurantverkäufe und damit die Margen von Händlern und Produzenten leiden darunter massiv.

Persönliche Meinung Ihres Retailreporters: Angesichts dieser Panel-Zahlen löst sich der vielfach geäußerte Verdacht, der LEH schlage aus der Inflation bei Lebensmitteln Profit in heiße Polit-Propaganda-Luft auf.  

Kategorien

Tags

geschrieben am

18.10.2023