Auseinandersetzung mit nachhaltiger Schönheit
retailreport.at: Mit N.A.E. ist ein weiterer Schritt in Richtung Naturkosmetik gelungen? Eine prinzipielle Frage zum Trend in der Kosmetik: Wohin geht die Reise?
Bernhard Voit: Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie von Henkel ist es, Kunden und Konsumenten mehr Wert und eine bessere Leistung bei einem geringeren ökologischen Fußabdruck zu bieten. In den letzten zwei Jahren hat der Unternehmensbereich Beauty Care den ökologischen Fußabdruck von mehr als 170.000 Produktformeln berechnet. Er entwickelt derzeit Produkte, die Verbraucher dabei unterstützen, ihren Fußabdruck durch den effizienten Einsatz von Energie und Wasser zu verkleinern. Unsere Strategie ist es, eine Verbindung zwischen naturbasierten, natürlichen und nachwachsenden Rohstoffen einerseits und wirksamen Kosmetikprodukten andererseits herzustellen. Wir verwenden bereits heute Inhaltsstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe, wann immer dies unter Berücksichtigung ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Auswirkungen sinnvoll ist. Wenn es zur Ausrichtung eines Produkts passt, werden wir zusätzlich zertifizierte Naturkosmetik mit entsprechenden Labels anbieten.
Vor etwa 5 Jahren vertraute man noch allen Kosmetik-Produkten, die einen (vermeintlichen) medizinischen Hintergrund hatten. Damals war es wichtig, dass ein Arzt, ein Apotheker, als Testimonial dahinterstand. Heute ist die Natur Testimonial. Woher kommt dieses Vertrauen?
In den letzten Jahren sind Konsumgüter nachhaltiger geworden und eine der Branchen, die sich besonders stark wandelt, ist die naturbasierte und natürliche Kosmetik. 2025 wird der weltweite Markt für Bio- und natürliche Körperpflegeprodukte voraussichtlich einen Umsatz von mehr als 22 Milliarden Euro erzielen – und mit der Reichweite des Internets und Influencern scheint das Wachstumspotenzial grenzenlos.
Alles begann damit, dass sich kosmetikaffine Konsumenten intensiver mit den Inhaltsstoffen ihrer Schönheitsprodukte auseinandergesetzt haben. Sie suchten nach natürlicheren Alternativen für ihre Haut, die durch die steigende Luftverschmutzung und zunehmenden Stress sensibler geworden war. In der Folge kauften Konsumenten ihre Beauty-Produkte zunehmend in lokalen Bioläden oder stellten sie sogar selbst her. Häufig löste Letzteres jedoch nicht das Problem, da die Formulierungen nicht besonders haltbar und klebrig waren. Als größere Unternehmen diese Bedürfnisse – nicht nur der jüngeren Generation, sondern auch der Babyboomer – erkannten, investierten sie Zeit und Ressourcen: um wirksame Kosmetik mit naturbasierten und natürlichen Inhaltsstoffen herzustellen, nachhaltigere Verpackungsmethoden zu entwickeln und einen noch stärkeren Fokus auf eine verantwortungsvolle Beschaffung der Inhaltsstoffe zu legen.
Trotzdem muss man bestimmte Attribute erfüllen, mit denen die Natur nicht mitkommt. Wie geht sich der Spagat zwischen Natur und Chemie aus?
Unabhängig davon, ob die verwendeten Inhaltsstoffe synthetisch, naturbasiert oder natürlichen Ursprungs sind, sorgt unser Forschungs- und Entwicklungsteam dafür, dass die jeweiligen Produktformeln sicher sind. Unsere Experten bewerten alle Inhaltsstoffe nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Dabei berücksichtigen sie Sicherheits- und Umweltdaten, die tatsächliche Konzentration der Inhaltsstoffe in den jeweiligen Rezepturen sowie die entsprechenden Anwendungs- und Entsorgungsbedingungen. Wie durch sämtliche relevante Standards verlangt, werden nur Produkte, die die vollständige Sicherheitsbewertung bestehen, auf den Markt gebracht.
Wie kommuniziert man dem Konsumenten, dass all das bisher Dagewesene auch gut ist?
Ich kann mich hier nur wiederholen. Was heute gilt, hat ja für uns früher ebenfalls schon gegolten: Unsere Kunden und Verbraucher können sich darauf verlassen, dass unsere Produkte bei sachgerechter Anwendung sicher sind. Alle Rohstoffe sowie fertigen Produkte durchlaufen zahlreiche Prüfungen und Bewertungen, um bei Herstellung, Anwendung und Entsorgung ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten. Die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und darüberhinausgehende Henkel-Standards sind die Basis dafür.
Wie vermittelt man dem Konsumenten die wahren Werte?
Zunächst, was sind die wahren Werte? Jeder von uns wird sie irgendwie anders formulieren oder andere Schwerpunkte setzen. Bei der Vielzahl von „grüner“ Kosmetik auf dem Markt ist es jedenfalls schwierig einzuschätzen, wie natürlich und nachhaltig die jeweiligen Produkte wirklich sind, welche Werte also damit transportiert werden. Orientierung bieten drei Kategorien, die die Standards für diese Kosmetik definieren sowie die Einstellungen von Verbrauchern widerspiegeln: Clean Beauty, Green Beauty und Certified Beauty. Bei Clean Beauty konzentriert sich die Produktentwicklung darauf, perfekte Produkteigenschaften und eine hohe Produktleistung bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Haut des Verbrauchers zu garantieren. Bei Green Beauty liegt der Schwerpunkt vielmehr auf naturbasierten Inhaltsstoffen und natürlichen Extrakten als Teil der Formulierung und deren pflegenden Eigenschaften. Die letzte Kategorie, Certified Beauty, verwendet einen sehr hohen Anteil an Inhaltsstoffen natürlichen Ursprungs und wird durch international anerkannte Standards für Naturkosmetik wie COSMOS oder ECOCERT zertifiziert.
Kosmetik-Produkte verursachen übrigens rund 2% des weltweiten CO2-Fußabdrucks – und das vor allem durch die Beschaffung der Rohstoffe und den Verbrauch von warmem Wasser, wenn ein Produkt verwendet wird. Dabei wirkt sich gerade die Anwendung am stärksten auf die Umwelt aus: nämlich durch die Wassermenge und deren Temperatur. Dies ist einer der Gründe, warum Verbraucher auf nachhaltigere Kosmetik-Produkte umsteigen und sich bewusster darüber werden, bei der Produktanwendung Ressourcen wie Wasser zu sparen.
Welche Marken im Bereich Naturkosmetik hat Henkel nun im Köcher? Neben N.A.E.?
In Henkel-Produkten werden bereits viele natürlich gewonnene Inhaltsstoffe eingesetzt – das gilt nicht nur für Naturkosmetik. Gleichzeitig haben Produkte, die einen gesunden und umweltbewussten Lebensstil fördern, in den letzten Jahren noch an Bedeutung gewonnen. Ein gutes Beispiel ist eben die von Ihnen bereits erwähnte, zertifizierte Bio-Marke N.A.E., die auf Inhaltsstoffe wie Zitrone, Rosmarin, Thymian und Olivenöl setzt. Die Verpackung der Produkte unterstreicht den nachhaltigen Charakter der neuen Marke: Die vollständig recycelbaren Verpackungen bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen, genauer gesagt aus Kunststoff, der aus Zuckerrohr gewonnenem Ethanol hergestellt wird.
Wir messen im Übrigen das Nachhaltigkeitsprofil mit Hilfe unseres Tools, mit dem „Henkel-Sustainability#Master“. Nehmen Sie beispielsweise unsere Haar- und Körperpflegemarke Nature Box. Ihre Haar- und Hautpflegelinien enthalten unter anderem 100 % kaltgepresste Öle aus Fruchtkernen und Nüssen: Avocado, Kokosnuss, Aprikose, Mandel und Macadamia. Beim Kaltpressen, einem besonders schonenden Gewinnungsprozess, bleiben alle wichtigen Nährstoffe erhalten. Die Rezepturen bewahren die Haut vor dem Austrocknen, wirken pflegend und glättend. Die in Nature Box verwendeten Formeln sind vegan und frei von Silikonen, künstlichen Farbstoffen, Sulfaten sowie Parabenen. Zudem enthalten die Formeln bis zu 95 % naturbasierte Inhaltsstoffe gemäß des für die Kosmetik entwickelten ISO-16128-Standards. Nature Box steht für hohe Produktions- und Qualitätsstandards mit einem langfristigen Verantwortungsbewusstsein. Deshalb arbeitet Nature Box mit internationalen Entwicklungsorganisationen zusammen und fördert Kleinbauern beim nachhaltigen Anbau von Guar und Palmkernöl, beides Ausgangsstoffe für Rohstoffe in den Formulierungen. Zudem bestehen die Flaschen für Shampoo, Conditioner, Duschgel und Körperlotion alle zu 25 Prozent aus recyceltem Plastik.
Obwohl es naheliegt zu glauben, dass mehr Nachhaltigkeit vor allem durch neue Produkte erreicht werden kann, treibt Henkel den Wandel aber auch bei seinen etablierten Produkten und Marken voran. Für die nächsten Jahren hat sich Henkel Beauty Care das ehrgeizige Ziel gesetzt, sein gesamtes Produktportfolio nachhaltiger zu gestalten. Ein aktuelles Beispiel ist die österreichische Familienmarke Glem vital und die Produktlinie „Naturwunder“ mit Essenzen 100% natürlichen Ursprungs und Verpackung, die zu 30 Prozent aus recyceltem Kunststoff besteht.
Wie sieht die Zukunft aus: Gibt es noch weitere Zukäufe in diesem Bereich?
Akquisitionen sind ein Bestandteil unserer Wachstumsstrategie. Eine Kaufobjekt muss für Henkel drei Kriterien erfüllen: Erstens, es muss strategisch zu uns passen. Zweitens, es muss am Markt verfügbar sein. Und, drittens, muss natürlich auch der Kaufpreis in unserer Kalkulation stimmig sein.