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Berger lanciert eine neue Produktlinie, bei der das Tierwohl im Mittelpunkt steht.

Ein Stück Regenwald im Tullnerfeld retten

Berger Schinken am Öko Trip. Ein Bericht von Hanspeter Madlberger.

Weit über 30 AMA-zertifizierte Schweinebauern im 50 km-Umkreis des Berger-Schlachthofs in Sieghartskirchen mästen die Tiere ausschließlich mit gentechnikfreien Futtermitteln aus Eigenanbau (z.B. Mais, Raps) oder Genfrei-Soja aus der Donau-Region.  Mit dem Verzicht auf Soja-Importe, die oft auch aus abgeholzten Amazonas-Gebieten stammen, liefert das niederösterreichische Familienunternehmen für die gesamte heimische Fleischbranche eine vorbildliche Case Study für global wirksame Klimaschutz-Maßnahmen auf einzelbetrieblicher Ebene.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es, schrieb Erich Kästner. "Schon im Jahr 2008 haben wir uns Gedanken darüber gemacht,  was wir konkret gegen die branchenüblichen Soja-Importe aus Südamerika unternehmen können, die mit der Zerstörung des Regenwaldes einhergehen, wodurch dem Weltklima unheimlich großer Schaden zugefügt wird", berichtet Mag. Rudolf Berger. Ergebnis dieses Nachdenkprozesses beim führenden heimischen Kochschinken-Produzenten: Das Programm Regional-Optimal. Dessen Kernelement ist Umstellung der Schweinemast von importiertem Gen-Soja auf GMO-freies Futter aus regionaler Produktion. Ein tief greifender Umbau der Schweinefleisch-Lieferkette "from stable to table". Ein Prozess, der nur  dann ökonomisch funktioniert, wenn sich alle Glieder der Kette diesem Ziel strikt unterordnen: Vom Bauern und seinen Futtermittel-Lieferanten über den Schachthof, den Fleischverarbeiter, den Lebensmittelhandel bis zum Konsumenten.  

Mit Gentechnikfrei kam der Durchbruch

Berger erinnert sich: "Am Anfang drohte das Projekt zu scheitern". Vor allem, weil Soja (unverzichtbar als Eiweiß-Lieferant) aus Übersee seit jeher deutlich billiger ist, als regional produziertes Futter. Erst im zweiten Anlauf kam der Durchbruch zum Erfolg. Nicht zuletzt deshalb, weil Gentechnikfreiheit als weiteres Qualitätskriterium in die Agenda aufgenommen wurde. Es waren übrigens die beiden Handelsketten Rewe und Spar, die sehr früh zu den heftigsten Unterstützern der ARGE Gentechnikfrei zählten. Und damit Anreize für Schweinemäster schufen, sich beim Futtermitteleinkauf von Gen-Soja aus Übersee abzuwenden. "Als wir das Gentechnikfrei-Pickerl auf unserer Ware anbrachten, gab es die ersten Listungen im Handel", erinnert sich Berger.

Innerhalb der letzten acht Jahre ist die Anzahl der Bauern aus dem Tullnerfeld, die bei Regional-Optimal mitmachen, von 8 auf weit über 30 gestiegen. Viele von ihnen bauen Mais und Raps auf den eigenen Feldern an, der Schweinemist dient nach altem Brauch als Dünger. Ein Schritt zur guten alten, kostensparenden Kreislaufwirtschaft, die eine Balance zwischen Ackerbau und Tierhaltung verlangt. Nur beim Soja ist man im Tullnerfeld bei weitem nicht autark, da ist das GMO-freie Donausoja aus dem europäischen Donauraum, von Österreich bis Rumänien, gefragt. Eine eigene WEB-Datenbank garantiert die lückenlose, regionale  Futtermittel-Herkunft.

FIBL-Studie bestätigt: Bis zu 45% weniger CO2  

Bauern, die an Bergers Regional-Optimal Programm teilnehmen, erhalten für ihre Schweine einen Aufpreis von 8 bis 10 Cent pro Kilo. Eine jüngst vom renommierten FIBL-Institut erstellte Studie ergab: DerCO2-Fußabdruck des Fleisches von Bergers Klimaschutz-Programm ist um bis zu 45% niedriger als jener von Schweinen aus herkömmlicher Mast. Mittlerweile kommt diese besondere Fleischqualität für rund 25% des von Berger verarbeiteten Schweinefleisches auf.  Die Angebotspalette umfasst im SB-Bereich die Marken Berger Beinschinken-Selektion  und Römer-Schinken, das Wachauer Würstlsortiment  (Frankfurter, Debreziner, Knacker) und  die - nicht wirklich regional-authentischen - Zillertaler Dauerwürste. Dazu das Produkt Feine Berger in der Theke.

Risikostreuung wird groß geschrieben

So vielfältig wie das Bedrohungs-Szenario, mit dem sich die globale Fleischwirtschaft konfrontiert sieht, so facettenreich sind die Marketingaktivitäten, mit denen die vierte und fünfte Generation des 1890 gegründeten Familienunternehmens diesen Herausforderungen begegnet. Da behauptet sich die Herstellermarke neben der Lohnproduktion von  Handelsmarken, der Eigenvertrieb über vier Abholmärkte und fünf klassische Fleischhauer-Filialen neben einer breit gestreuten Absatzpartnerschaft mit Supermärkten und Discountern sowie Kunden aus der Gastronomie. Diese wird teils direkt, teils über den Gastro-Großhandel beliefert. 85% des Jahres-Gesamtumsatzes von 150 Millionen Euro entfallen auf das Inlandsgeschäft, 15% auf den Export. Diese Diversifikation erfordert zwar viel organisatorische Flexibilität, dient aber der Risikostreuung, die in eine erhöhte Resilienz einzahlt. "Als 2021 die Gastronomie-Umsätze infolge der Corona-Lockdowns einbrachen, ging im Einzelhandel der Umsatz von Bio-Fleisch durch die Decke ", berichtet Berger. Und liefert eine plausible Erklärung dieses Phänomens: "Um das Geld, das sie sich durch den Wegfall des Restaurantbesuchs ersparten, leisteten sich viele Besserverdiener den Kauf der höchsten und damit teuersten Fleischqualität im Supermarkt".

Kurzer Bio-Boom, früher Tierwohl-Start 

2022 war dieser Bio-Boom schon wieder vorbei, in den letzten Monaten nehmen die Bio-Verkäufe ab, jene der vergleichsweise billigeren Tierwohl- Fleisch- und -Wurstwaren deutlich zu.  Berger ist für den neuesten Trend in dieser hektischen Branche gut gerüstet. Seit 2020 sind Schinken- und Wurstspezialitäten  unter dem Label Berger Tierwohllieferbar. Das Fleisch  stammt von einer Handvoll Regional-Optimal-Bauern, die ihre Ställe bereits auf Tierwohl-Standard umgerüstet haben. Vertriebspartner der ersten Stunde war Gastro-Großhändler Metro. Seit vergangener Woche ist man auch beim Fair zum Tier-Programm von Billa und Billa Plus mit einigen SB-Wurst-Artikeln gelistet.

Erst kochen, dann kühlen: Energiekostenanstieg trifft Schinkenproduzenten besonders hart

Ein ernstes Problem für  Kochschinken-  und Wurstproduzenten sind die enorm gestiegenen Energiekosten. Die  Schinkenerzeugung verlangt eine Kerntemperatur von 68 Grad. Energieaufwändig ist aber auch die Kühllogistik im Lager, beim Transport und am POS."30% der Mehrkosten werden von der öffentlichen Hand abgegolten, 70% müssen wir selber tragen", rechnet Berger vor. Vorausblickend hat man in Sieghartskirchen schon kräftig in Fotovoltaik-Anlagen und in energiesparende Kühlsysteme investiert.

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geschrieben am

18.10.2022