Anuga 2023: Ansturm auf Köln
Bericht Gabriele Jiresch & Nicole Hoffmann
Wir fahren nun auch schon seit Ende der 90er/Anfang der 2000er Jahre auf die größte Lebensmittelmesse der Welt – die Anuga in Köln. Aber so viele Menschen auf einer Messe haben auch wir noch nie erlebt. Deshalb wundert es auch nicht, dass die Kölnmesse bekannt gibt: Anuga 2023 übertrifft alle Erwartungen. Innerhalb von fünf Tagen „schoben“ sich 140.000 Fachbesucherinnen und Fachbesucher aus 200 Ländern durch die Hallen und Gänge, um die Neuheiten von 7900 Ausstellern aus 118 Ländern näher kennenzulernen. Vor allem der Sonntag und Montag hatten es in sich: kam man am Dienstag an einen Ausstellungsstand, um Gespräche zu führen, so fand man mancherorts stimmlose Gesprächspartner vor – das lag allerdings nicht am Feiern, sondern an dem großen Interesse der Besucher mit Folgegesprächen.
Zusammengefasst: die Stimmung war sehr gut, Besucher und Aussteller hatten gute Laune und das trotz hoher Kosten auf der Supply Side und auch Demand Side, trotz noch immer anhaltender Pandemie-Szenarien, trotz Krieg in der Ukraine und damit verbundene Beschaffungsschwierigkeiten und trotz jüngster neuer Kriegsschauplätze im Nahen Osten. Man merkte: die Menschen wollen sich wieder sehen, spüren und reden. Genau genommen ist das ein guter Ansatz für weitere Entwicklungen.
Auch die Asiaten kamen wieder nach Europa, sowohl als Aussteller als auch als Besucher. Einige israelische Aussteller mussten notgedrungen absagen.
Das Leitthema und das Programm
Das Leitthema „Sustainable Growth“ rückte viele nachhaltige Themen in den Vordergrund: woher kommt das Essen? Wie wird es angebaut? Wie hergestellt? Wie transportiert? Diese Herausforderungen sind global von allen Stakeholdern (Unternehmen, Handel, Wissenschaft und Politik) anzupacken.
In diesem Jahr gab die Messe mit einem vielseitigen Event- und Kongressprogramm und der Anuga HORIZON Conference mehr denn je neue Impulse für die Ernährungsbranche von morgen. Es fanden Expertenpanels statt, die die wichtigsten Anliegen der Branche ansprachen, sowie Side Events von Organisationen wie dem EIT Food und der UNIDO, die weitere Perspektiven und Lösungsansätze boten. Zudem zeigte die Anuga als Wissens- und Know-How-Lieferantin neue und fortlaufende Trends. Nicht nur neue Themen, sondern auch Bio standen im Fokus der Anuga. Anuga Organic bot den Besuchern eine eigene Plattform.
Was man so hörte und sah
Natürlich will jeder wissen: was sind die großen Trends? Welche großen Innovationen gibt es? Da können wir nur sagen: Leuchtturm-Innovationen konnten wir nicht finden. Ein Großteil der Innovationen geht aufs Konto der „planted based“-Strömungen. Und hier die eigentliche Neuerung: es sind die ersten Anzeichen ersichtlich, dass der Hype um vegane und vegetarische verarbeitete Produkte auf einem Zenit angekommen ist. Trotzdem: der Markt ist in aller Munde und wird sich nicht mehr schrumpfen: veganer, Vegetarier und Flexitarier sind gekommen, um zu bleiben. Die Frage für die Händler wird in Zukunft sein, ob die Margen, die sich aus den pflanzenbasierten Produktem ergeben, zum Überleben reichen und ob die Drehung tatsächlich ein Erfolgsgarant ist. Aktuell ist es noch so, dass Fleischprodukte die Margen der „planted based“ Produkte auffangen. Denn: Fleisch wird nach wie vor in großen Mengen gekauft.
Pflanzenbasiert Produkte der Zukunft
Einigen Studien zufolge lässt das Interesse für pflanzliche Produkte am Markt nach. Als Beleg dient die Tatsache, dass die Aktien bei Pionieren wie Beyond Meat oder Oatly an Wert verlieren. Andere widersprechen und behaupten, dass die Rückgänge situationsbedingt sind und das Gesamtbild nicht korrekt wiedergeben.
Vor kurzem veröffentlichte Daten legen sogar nahe, dass die Kategorie der veganen Lebensmittel insgesamt wächst. Nach einem Bericht zur Marktentwicklung des Good Food Institute (GFI) und von NielsenIQ, für den Daten aus 13 Ländern analysiert wurden, hat sich der Umsatz mit pflanzenbasierten Lebensmitteln in Europa im Jahr 2022 um 6 % und seit 2021 um 21 % erhöht.
Einer anderen Studie zufolge steigt die Zahl der Veganer, Vegetarier und Flexitarier, insbesondere in den jüngeren Generationen, deren Mitglieder die Verbraucher der Zukunft sind. Analysten von Mintel prognostizieren zudem, dass der Markt bis 2030 auf 160 Milliarden USD wachsen könnte. Die Entscheidung für pflanzenbasierte Produkte ist heute demnach Ausdruck eines Lebensstils, der von Dauer sein wird.
Unbestreitbar ist, dass viele Verbraucher in Zeiten der Inflation mit knappem Budget wirtschaften müssen und sich keine teuren pflanzenbasierten Fleischalternativen leisten können. Langfristig jedoch werden diese vorübergehenden Aussteiger wieder zurückkehren. Ein weiterer Faktor ist die Zahl der Marken, die in den Regalen für pflanzenbasierte Produkte zu finden ist. Manche sind der Ansicht, dass zu viele Unternehmen in die schnell wachsende Kategorie eingestiegen sind und dabei zu wenig Augenmerk auf die Zusammensetzung, Textur und vor allem den Geschmack ihrer neuen Produkte gelegt haben.
Eine Konsolidierung auf dem Markt für pflanzenbasierte Produkte ist unvermeidlich, sodass die Zahl der Marken und Erzeugnisse in den Sortimenten der Händler wieder sinken wird. (Quelle PLMA).
Die nächste Anuga in Köln findet vom 4. bis 8. Oktober 2025 statt.