Direkt zum Inhalt
Jutta Schock ist bei GoodMills Innovation für Food-Innovationen verantwortlich. Ihre Einblicke ins Geschäft mit „Getreide“ sind wegweisend.

Am Meetingpoint: Wissenschaft und Landwirtschaft

Jutta Schock ist bei GoodMills Innovation für Food-Innovationen verantwortlich. Ihre Einblicke ins Geschäft mit „Getreide“ sind wegweisend.

Seit 25 Jahren ist Jutta Schock, Head of Marketing bei GoodMills Innovation, einer Tochtergesellschaft der in Österreich ansässigen GoodMills Group, in der Lebensmittelindustrie tätig. Dieser Zeitraum ist für die Entwicklung im Lebensmittelbereich vergleichbar mit einer Ablöse der Eiszeit durch die Warmzeit – so unterschiedlich gestalten sich die Perioden und Abschnitte innerhalb dieses Vierteljahrhunderts mit unterschiedlichen Treibern wie Produktsicherheit, Ökonomie und Verbraucherbewusstsein. Doch eines blieb immer gleich: die Art der Verbreitung und Adaption neuer Food-Innovationen per se. Was meint man damit?

„Die Entwicklung von Trends und daraus entstehenden Food-Produkten ist im Grunde genommen immer ähnlich,“ schildert Jutta Schock. „Trends starten in unterschiedlich gesellschaftlichen Gruppen bei den sogenannten Innovatoren. Für die erfüllt das Produkt ein wichtiges meist physisches Bedürfnis, weshalb sie die ersten sind, die zu ganz neuen funktionalen und innovativen Produkten greifen. Veranschaulichen lässt sich das am Beispiel „Fleischkonsum“. Ein Aktivist sagt: „Ich esse kein Fleisch mehr“. Trotzdem muss der Aktivist aber sein Proteinbedarf decken. Aus diesem Grund waren erste Fleischalternativen wie etwa Tofu auch ein Mittel zu diesem Zweck,“ so Schock.

„Für die darauffolgende Gruppe, die sogenannten Early Adopters, in diesem Beispiel Lifestyle Veganer/Vegetarier, muss das neue Produkt die eigene Persönlichkeit und Einstellung widerspiegeln – neue Produkte müssen hier allen emotionalen Bedürfnissen vollständig gerecht werden.“

„Für frühe Massenmarktkonsumenten, wie die Flexitarier,“ erklärt die Foodexpertin weiter, „stellen Fleischimitate, die vor allem besonders nahe an den Geschmack und die Textur von Fleisch herankommen, eine Lösung zur bequemen Fleischreduktion dar. Schließlich durchdringen die Produkte dann endgültig den Massenmarkt und werden zur Norm. So werden dann auch diejenigen Konsumenten erreicht, denen es besonders schwerfällt, bisherige Gewohnheiten zu ändern.“

GoodMills Group, die führende Mühlengruppe in Europa mit sieben Standorten, blickt auf eine lange Geschichte der industriellen Müllerei zurück. Mit beliebten Konsumentenmarken und einer starken Innovationsstrategie stellt sich das Unternehmen auf für die Zukunft, mit dem Ziel, das Leben der Menschen mit pflanzlichen Lebensmitteln gesünder, nachhaltiger und genussvoller zu machen. Für Jutta Schock, die im Innovationszentrum in Hamburg arbeitet und bereits viele Neuerungen angeschoben hat, liegt das Herzstück ihrer Bemühungen in der Verbindung von wissenschaftlicher Arbeit mit Kundenorientiertem Marketing. Und so treibt sie die Produkte der GoodMills Group für den nach Lösungen suchenden Konsumenten voran. „Aus Sicht des Produktmanagements sind die Themen Ernährung und Nahrungsmittel inzwischen sehr komplex“, so Jutta Schock. „Wenn es um den Wiederkauf von Lebensmitteln geht, wirken verschiedene Kriterien. So haben wir zunächst eine preisliche Komponente, aber eben auch eine nachhaltige und ganz wichtig, eine geschmackliche Komponente. Die gustatorische Wahrnehmung ist und bleibt das wichtigste Kriterium, speziell wenn es um den Wiederkauf geht. Den sogenannten Erstkauf erreicht man durch einen guten Mix werblicher Maßnahmen. Entscheidend aber ist der Zweitkauf eines Produktes, denn nur dieser zählt“.

Und auch hier scheiden sich die Geister: Jede Zielgruppe hat ihren eigenen Geschmack und will unterschiedlich angesprochen werden. Mit wem kommuniziere ich also? Für wen produziere ich? Diese und andere Fragen muss sich ein Unternehmen wie GoodMills stellen. In Anlehnung an die oben genannten Entwicklungsstufen (Aktivist, …) muss man als erfolgreiches Unternehmen die genauen Bedürfnisse des Kunden beachten.

Philosophie im Hintergrund

Nehmen wir das Beispiel „Gluten“ – zu Beginn war es ein Thema der Verträglichkeit, also jener Menschen mit Zöliakie. Dann war es „cool“, sich glutenfrei zu ernähren und schließlich kam der Massenmarkt zum Zug – immer unter der Prämisse der gustatorischen Wahrnehmung, des Geschmacks. Aktuell gilt für bspw. Weizen: Alternativen müssen schmecken und einen akzeptablen Preis haben.

Verbunden mit dem Philosophischen ist es nun an der Herstellung. Wie kann durch ein physikalisches Trennverfahren die Basis so verändert werden, dass das Produkt weiter nährstoffreich bleibt? Als anschauliches Beispiel nennt Schock die Weizenkeime. „In einem feinen müllerischen Arbeitsprozess entstehen andere Nährstoffdichten und somit kann Weizen anders eingesetzt werden. Die aktuell vermeintlich schlechte Reputation von Weizen ist hiermit verlangsamt. Weizen ist und bleibt ein toller, regionaler Rohstoff“, stellt Jutta Schock weiterhin fest. „Er ist verfügbar, von guter Qualität und liefert viele Möglichkeiten für den Massenmarkt und die Nische.“

Trends im Mühlenbereich

Die Arbeit mit Weizen ist nach wie vor Kerngeschäft, aber der Anteil von Dinkel im Brotsegment ist auf 3,8% in Deutschland gestiegen, um satte 46%. Der Trend hin zu Dinkel ist sichtbar und die Lösungen sind erfrischend anders, wie bspw. der Umgang mit Dinkelprotein, das in Zukunft laut Schock eine große Rolle spielen wird. „Dinkel ist ein Vertreter von Urgetreide und bringt damit auch die Biodiversität ein Stück weiter. Wir haben nämlich mit Monokulturen immer mehr Probleme als mit den Rohstoffen an sich“.  In seiner Nachhaltigkeitsagenda sieht GoodMills noch großes Potenzial. Für verschiedene Urgetreide. „Wir sind nicht nur Rohstofflieferant, sondern vor allem „solutions provider“, so die Food-Innovatorin. Gemeinsam mit den Medien kann man hier richtungsweisende Tendenzen im Lebensmittelsegment schaffen. „Glutenfrei ist im Gegensatz zu pflanzlichen Alternativen als Richtungswechsel verschwindend, wir nennen das auch den Echoeffekt der Medien“, sagt Schock. Die oft zitierten Insekten sind im Massenmarkt in Europa noch nicht angekommen, aber es wird genau beobachtet, wie sich dieser Trend entwickelt.

Und last but not least: Essen muss auch “sexy” sein!

Esse ich das Trendfood auch, wenn meine vegetarischen/veganen Freunde nicht dabei sind? Wird es von meiner Familie akzeptiert? Schmeckt es mir? Und: ist es auch gesund?

Mit der Beantwortung dieser und weiterer Fragen wird die GoodMills Group mit Sicherheit noch die nächsten Jahre voll ausgelastet sein. Es bleibt also spannend, dies zu verfolgen! 

Kategorien

Tags

geschrieben am

03.09.2021