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weitere Reaktionen bei Preisdebatte im Lebensmittelhandel

Preisaufschlag: Reaktionen der Branche

Das Thema rund um den „Österreich-Aufschlag“ hat noch lange kein Ende gefunden. retailreport.at fasst die Stimmen der Branche immer wieder zusammen.

Für den Markenartikelverband spricht Günter Thumser. Er stieß sich jüngst an den Aussagen des Bundeskanzlers Stocker, der von einem 8%igen Preisaufschlag spricht, den der österreichische Handel auf die Produkte internationaler Provenienz zahlen müsste. Den wolle er jedenfalls mittels eines Verbots auf EU-Ebene unterbinden.

"Die Markenartikelbranche in Österreich steht derzeit im Mittelpunkt eines „Shitstorms“, der in der allzu griffigen Formulierung eines so bezeichneten „Österreich-Aufschlags“ kulminiert. Den will natürlich niemand!
Tatsächlich ist der so bezeichnete „Ö-Aufschlag“ das Vehikel für die Handelskonzerne, um ein EU-weites Verbot der so bezeichneten „Territorialen Lieferbeschränkungen“ nun endlich wirklich durchzusetzen.

Dies wäre jedoch ein finaler Freibrief für alle Einkäufer, sich über regional getroffene vertragliche Vereinbarungen jederzeit hinwegzusetzen – „Cherry Picking“ würde als neue Leitlinie EU-rechtlich autorisiert.

Eine in der öffentlichen Wahrnehmung zweifelsfrei griffige Forderung, deren Ausgangsbasis jedoch einer näheren Betrachtung würdig ist:

  1. Es kann keinen Einheitspreis für Markenartikel in ganz Europa geben, denn wir haben keine Einheitskosten und keine Einheitsstandards in ganz Europa!
  2. Zum „Österreich-Preisaufschlag“ ein kleines Rechenbeispiel:

             Bei einer Eigenversorgung mit verpackten Markenartikel-Lebensmitteln in Höhe von 70% (lt. Economica-Studie vom April 2025) und einem generell nur 10%igen Anteil für sämtliche (!) Lebensmittelausgaben (also dann inklusive Obst, Gemüse, Fleischwaren etc.) gemessen am Durchschnitts-Haushaltseinkommen (lt. Eurostat) kann den eventuell vereinzelt günstigeren Preisen aus dem Ausland in der realen Inflationswirkung nur ganz periphere Wirkung zukommen:

             Sollten wirklich alle (!!) importierten verpackten Lebensmittel um 10% überteuert sein, so würde dies den österreichischen Durchschnitts-Haushalt bei unverändertem Einkaufsverhalten mit maximal 0,2% seines Einkommens belasten….

Um wieviel größer ist jedoch die Wirkung in Medien-Headlines!

  1. Preisvergleiche:

Bislang klagten die Handelskonzerne selbst über die Unzulässigkeit der Preisvergleiche D/Ö.

Hier wird tatsächlich - oft sogar bewusst - die doppelt (!) so starke Aktionstätigkeit in Österreich ignoriert.

Das häufig zitierte Cremissimo-Eis wird in Österreich zu 70% mit Aktionspreis verkauft, dadurch kommt jeglichem Vergleich mit den deutschen (Dauer-)Preisen „Mondpreis-Charakter“ zu.

Müßig zu erwähnen, dass nahezu jegliche Aktionsrabatte (ob direkt oder mit Pickerl) vom Handel direkt den Lieferanten in Rechnung gestellt werden, also wiederum zu Lasten der Hersteller gehen.

Bemerkenswert ist darüber hinaus die geradezu durchgängige Feststellung bekannter österreichischer Lebensmittel-Hersteller, wonach sie froh über ihre Exportanteile sind, denn diese gleichen die teilweise bereits negativen Deckungsbeiträge am Heimmarkt erst aus!

  1. Ausreichend EU-Normen gegen unlautere Handelshemmnisse (siehe oft zitierte Mio€-Sanktionen):

Es mag vor dem Hintergrund des so beliebten Lieferanten-Bashing verwundern – aber als Branche im täglichen Kontakt mit Handel und Konsumenten sehen wir uns als klare Unterstützer der EU-Binnenmarktstrategie, weisen jedoch gleichzeitig darauf hin, dass bereits ausreichend nationale Normen existieren, die unlautere Handelshemmnisse sanktionieren.

Würde von den Proponenten dieser Entwürfe zusätzlicher (doppelter) Rechtsnormierungen zwischen wettbewerbswidrigen Praktiken und legitimen Marktdifferenzierungen in gebotenem Umfang unterschieden, wäre eine objektive und transparente Diskussion möglich.

Dies ist aktuell leider nicht der Fall.

  1. Abschaffen von „Leistung und Gegenleistung“:

Sohin sehen wir uns gezwungen, auf die gerade für kleinere nationale Märkte und die darin agierenden Hersteller von Markenprodukten daraus abzuleitenden erheblichen Gefahren hinzuweisen - egal ob nationaler oder internationaler Herkunft, mit lokaler Produktion und Wertschöpfung.

Ein Einkaufen durch Handelskonzerne von Produkten zum billigsten Preis „irgendwo in der EU“ ohne Berücksichtigung nationaler Gegebenheiten (auch regulativer Standards!) und auch vertragsrechtlicher Vereinbarungen bedeutet das Außer-Kraft-Setzen des wesentlichen Grundprinzips des freien Marktes, von „Leistung und Gegenleistung“.

  1. Extreme Gefährdung der heimischen Wertschöpfungskette:

Die nationale Bedürfnis- genauso wie die Kostenstruktur fänden dann wohl nur mehr wenig Beachtung – volkswirtschaftlich eine hochproblematische Perspektive, insbesondere für die relativ kleineren und mit hohen sozialen Normen entwickelten Märkte in Europa.

Deren Eigenversorgung in der gesamten Wertschöpfungskette von landwirtschaftlicher Urproduktion über Weiterverarbeitung bis zum lokalen Detailhandel wäre massiv gefährdet.

Dies beträfe zuallererst die durchaus großen Produktionsstandorte internationaler Unternehmen in Österreich (Coca Cola 900 Mitarbeitende, Mondelez 650, Haribo 600, Henkel 800, Mars 500; insgesamt über 7000 Mitarbeitende!).

Im Übrigen zeigen Cross-Border-Preisvergleiche von Handels-Eigenmarken ein durchaus ähnliches Bild wie einige medial immer wieder zitierte Hersteller-Markenprodukte.

Generell liegt die Preisgestaltung zum Konsumenten allein in der Verantwortung der Handelsunternehmen – dies ist im Wettbewerbsrecht eindeutig so festgesetzt.

Der Schluss liegt also nahe, dass die Konsumenten-Preise in aller Regel die reale Kosten- und Wettbewerbssituation im jeweiligen Marktumfeld wiedergeben.

Dies gilt wohl auch im Abschnitt Handelseinstandspreis zum Konsumentenverkaufspreis: Hier liegt die Marge in Österreich erkennbar über jener in DE – siehe auch Handels-Eigenmarken (sh. oben).

In einem Hochsteuerland (Österreicher zahlen auch nahezu um die Hälfte mehr MwSt auf Lebensmittel als in DE) mit ebenso höchsten Lohnstückkosten, enorm gestiegenen Energiekosten und erdrückender Bürokratie bauen wir am selbstverschuldeten Österreich-Aufschlag unentwegt weiter.

Wie lange wir da unsere Eigenversorgung (gestützt auf 2/3 Exportquote!) noch halten werden können?

 Oder wird sich die eingangs erwähnte 70:30 Relation bald zugunsten der Lebensmittel-Importe aus Billigländern auf 30 heimisch zu 70 Import umkehren?

Gerade für die österreichische Landwirtschaft als Hauptlieferant an die heimischen Verarbeiter ein äußerst bedrohliches SzenarioDie Proponenten eines Verbots regionaler Lieferdifferenzierungen arbeiten daran…"

Auch Wolfgang Hoffer, in der WKO zuständig für Food Retail and Wholesale, brachte eine interessante Berechnung und Analyse hervor: "Betrachtet man die Inflationsdaten für Energie und Lebensmittel im direkten Vergleich (in diesem Falle mit Frankreich), zeigt sich, wie unmittelbar der Einfluss der Energiekosten auf die Lebensmittelpreise ist – und wie stark man hierzulande die Teuerung mit sinkenden Energiepreisen abfangen könnte.

Während in Frankreich die Teuerung bei Energie 2023 weitgehend gestoppt wurde (die Energiepreise sind zuletzt gar um 8 % gefallen) und in direkter Folge - natürlich mit etwas Verzögerung - auch die Teuerung bei Lebensmitteln stark abnahm (teilweise sogar gegen null ging), gab es in Österreich zuletzt wieder eine Teuerung von 5,9 % bei Energie – verursacht fast ausschließlich durch die öffentliche Hand, nämlich durch die Erhöhung der Netzgebühren und das Auslaufen der Energiepreisbremse. Infolgedessen haben auch die Lebensmittelpreise weiter angezogen.
Die derzeitige Debatte über die Preise im Lebensmittelhandel ist somit nichts anderes als eine Scheindebatte. Wer die Inflation nachhaltig in den Griff bekommen will, muss bei den Energiekosten ansetzen."

geschrieben am

05.09.2025